Während die internationale Jury unkonventionelle Filme auszeichnete und mit der Verleihung des Goldenen Bären an den rumänische Film "Touch Me Not" von Adina Pintilie Kritik und Publikum überraschte, setzte die kirchliche Jury auf eher realistisches, fast dokumentarisches Erzählen und prämierte im Hauptbewerb „In den Gängen“ von Thomas Stuber und „Utoya 22. Juli“ von Erik Poppe.

Klaus Feurstein

Die Preise der ökumenischen Jury

Stubers Film erzählt die Geschichte von Christian, der in einem Supermarkt neu anfangen will. Unterstützung findet er bei einem väterlichen Kollegen, und Hoffnung keimt bei ihm auf, als er sich in die unglücklich verheiratete Marion verliebt. Doch als sie plötzlich krankgeschrieben ist, fällt er in ein tiefes Loch, so dass sein altes, elendes Leben ihn wieder einzuholen droht.
Thomas Stuber öffnet in seinem Wettbewerbsbeitrag den Blick für die Lebenswelt eines einfachen Angestellten in der ostdeutschen Provinz. „Alltägliches verwandelt sich in magischen Realismus, der über die zarte Liebesgeschichte hinaus vorsichtig auf das Prinzip Hoffnung verweist.“ (berlinale.de)

Erich Poppe rekonstruiert in seinem Spielfilm den Amoklauf des Massenmörders Anders Breivik auf der Insel Utoya im Jahr 2011. Nach dokumentarischen Anfangsszenen aus Oslo, wo der Attentäter kurz zuvor eine Autobombe gezündet und acht Menschen in den Tod gerissen hatte, führt der Film direkt auf die Insel. Die Kamera begleitet die 19-jährige Kaja, die hier mit ihrer jüngeren Schwester Emilie ein paar Ferientage verbringt. Plötzlich ist der erste Schuss zu hören.
Damit beginnt „eine 72 Minuten lange, in einer einzigen Einstellung gedrehte, aus der Perspektive der Opfer inszenierte, atemlose Rekonstruktion der Vorgänge. Kajas verzweifelte Suche nach Emilie. Die Angst in den Augen der Jugendlichen. Die Flucht in den Wald. Die Hoffnung auf Rettung. Und der unbekannte Schütze, der immer näherkommt.“ (berlinale.de)

Verweigerte Preise

Der von vielen favorisierte „La Prière“ von Cédric Kan, der beklemmend und mitreißend die Geschichte eines drogensüchtigen Jungen in einer Art Kloster auf Zeit erzählt, erhielt lediglich den Silbernen Bären für den Besten Hauptdarsteller Anthony Bajon. Das wäre ein Film für die kirchliche Jury gewesen.
Schade auch, dass die bemerkenswerte Verfilmung von Anna Seghers gleichnamigem „Transit“ von 1941 durch Christian Petzold keinen einzigen Preis erhielt. Die Protagonisten bewegen sich in seinem Film, während sie Seghers' Dialoge aus dem 2. Weltkrieg sprechen, wie alle anderen Geflüchteten durch ein sehr gegenwärtiges Marseille. „Die Hafenstadt Marseille war während des Zweiten Weltkriegs einer der Orte des Übergangs, die Petzold interessieren. Sie ist es immer noch.“ (Wenke Husman, Die Zeit) Diese außergewöhnliche Literatur-Adaption hätte in das Konzept der internationalen Jury gepasst.

Wie „In den Gängen“ spielt auch hier Franz Rogowski die Hauptrolle. Er ist die große Schauspieler-Entdeckung der letzten Jahre. Von ihm darf noch Besonderes erwartet werden.

Dokumentarfilmpreis an politischen Film aus Österreich

Die renommierte österreichische Regisseurin Ruth Beckermann gewann mit „Waldheims Walzer“ den Preis für die beste Doku. Sie zeigt, wie sich beim Präsidentschaftswahlkampf 1986 auf Seiten Waldheims und seiner Befürworter Hetze, Antisemitismus, Verleumdung, Medienschelte und das Leugnen von Tatsachen Bahn brachen. „Lange her, aber noch nicht vorbei.“ (berlinale.de)

Lesen Sie mehr zu den prämierten Filmen »