Männer gehen in Seminare oder treffen sich in Männergruppen, wo sie hin und wieder unter sich sind. Sollen Männer und Frauen wieder stärker auseinander dividiert werden? Der Leiter des Männerbüros nimmt Stellung zum Thema.

 

von Markus Hofer

Noch nie waren Mann und Frau so nahe beisammen wie heute und vermutlich waren auch die Erwartungen aneinander noch nie so hoch wie heute. Früher hat man sich das Paradies vom Herrgott erwartet und heute vom eigenen Partner. Und noch nie hat man sich so oft scheiden lassen wie heute. Die romantische Vorstellung von der Verschmelzung von Mann und Frau und das womöglich in der 11/2-Zimmerwohnung ist eine Überforderung für beide. Meistens wird dann auch noch Verliebtsein mit Liebe verwechselt. Wenn in einer Zeitschrift unlängst die Rede war von "Ehe als lebenslanger Leidenschaft", so ist das, wenn wir ehrlich sind, blanker Unsinn. Das würde kein Mensch auf Dauer aushalten.

Nähe und Distanz

Die romantischen Bilder sind vor allem von Nähe bestimmt. Nähe kann anziehen und wärmen, Geborgenheit und Sicherheit geben. Sie kann aber auch beängstigen, erdrücken und uns jeden Freiraum nehmen. Eine Beziehung, in der man sich immer alles sagen muss, was man denkt, in der die erniedrigende Forderung gilt, dass man sich ständig "die Wahrheit sagen" müsse, eine solche Beziehung ist im Grunde totalitär. Bert Hellinger meinte bei einem Paarseminar schmunzelnd: "Von der Nähe braucht man viel Erholung und das kann dann z.B. bei einem Ehekrach sein."

Distanz kann zwar entfremden und ängstigen, schmerzen und einsam machen. Distanz kann aber auch befreien und Spielraum schaffen, Überblick ermöglichen, interessant machen und Sehnsucht wecken. Wir sollten uns vom Terror der dauernden Nähe befreien und das Spiel von Nähe und Distanz flexibel handhaben; für erfahrene Eheleute sicher nichts Neues. Die zeitweilige Distanz hilft uns, uns als Person zu erhalten - der Mann als Mann und die Frau als Frau - und die eigene Identität zu pflegen.

Männer unter sich

Eine Frau, deren Mann seit längerer Zeit an einer Männerrunde teilnimmt, brachte es auf den Punkt: "Es gibt Bereiche, die gehören nur ihm und es gibt Bereiche, die gehören nur mir. Ich muss auch nicht alles wissen und alles kontrollieren." Beim Wunsch, den Partner ganz kontrollieren zu können, beginnt eigentlich der Beziehungsterror. Wenn wir hingegen Bereiche haben, die nur uns gehören, dann bleiben wir auch für einander interessant. Seit ich im Männerbüro arbeite bin ich jedes Jahr eine Woche nur mit Männern unterwegs. Mir tut nicht nur diese Erfahrung gut, mich elektrisiert auch jedes Mal wieder, wie mich meine Frau nach einer Woche mit Männern anschaut.

Männerseminare oder -runden sind solche Möglichkeiten, in denen wir als Männer unsere eigene Identität pflegen können. In südlichen Kulturen ist es heute noch zu beobachten: am Dorfplatz stehen die Männer und vor den Haustüren sind die Frauen versammelt. Die Frauen haben ihre Freundinnen, aber was haben wir Männer? Vielleicht ist uns gerade ein Stück eigener Männerkultur verloren gegangen. Das Ziel der Männerarbeit ist nicht, die Männer ihren Frauen zu entfremden, sondern viel mehr als Mann für die Frauen interessant zu bleiben.

Achtung und Respekt

Bei der letzten Männertagung gab es einen Satz von Richard Rohr, der mir besonders hängen geblieben ist, nämlich dass Respekt die Lebensgrundlage für einen Mann ist und dass er ohne Respekt zu Grunde geht. Achtung und Respekt voreinander, vor dem Mann als Mann und der Frau als Frau, ist eine Grundbedingung für jede Beziehung. Wenn das einmal weg ist, nützt vermutlich auf Dauer alle "Liebe" nichts. Es ist wichtig neben dem leidenschaftlichen Miteinander sich auch um gesunde Grenzen zu bemühen, denn wo klare Grenzen sind, wächst auch die Achtung.

Geschlechtermythen

Der christliche Schöpfungsmythos ist in Bezug auf Mann und Frau klar: "Als Mann und Frau schuf er sie. ... Und er sah, dass es gut war." Diese beiden Pole gehören offensichtlich von Anfang an zum Betriebssystem Gottes. Im Gegensatz dazu steht Platons griechischer Mythos von den Kugelmenschen. Am Anfang hatten die Menschen eine Kugelform, waren also in sich eins und perfekt. Das führte dazu, dass sie gegenüber den Göttern aufmüpfig wurden. Dafür wurden sie bestraft, indem sie in je zwei Hälften geteilt wurden, in Mann und Frau, die sich fortan zur perfekten Verschmelzung wieder suchen mussten.

Das christliche Menschenbild ist ein anderes: Wir sind nicht strafweise Mann oder Frau und wir sind nicht dazu verdammt, einander zu finden, um wieder perfekt zu sein. Wir sind als Mann und Frau gewollt, sind verschieden und dürfen verschieden sein. Die Unterschiede sind keine Rache der Götter, sondern sie machen gerade die gegenseitige Anziehung aus. Mann und Frau sind geschaffen, damit sie "fruchtbar sind und sich vermehren" und sich gegenseitig unterstützen. Das ist ein ständiger Weg, ein Prozess, der manchmal lustvoll und leidenschaftlich ist und manchmal auch mühsam und schmerzhaft. Das Ziel ist aber nicht von einer Verschmelzung zu träumen, sondern sich diesem Prozess zu stellen und nicht zuletzt macht das unser Leben spannend.

Lieben und achten

Sich eine Partnerschaft nur als Paradies vorzustellen, ist ein blanker Betrug an sich selbst. Das ganze Leben muss darin Platz haben, alle Phasen und Weggabelungen, die Steigungen wie die Abfahrten. Letztlich macht es uns stark, wenn wir sie alle leben und gemeinsam durchleben; auch Sackgassen können dabei sein. Im Eheversprechen war immer die Rede von "lieben und achten" und das ist vermutlich nicht so dumm. Vielleicht müssen wir uns heute um das zweite Versprechen mehr bemühen, um die Achtung des Mannes vor der Frau und die Achtung der Frau vor dem Mann.