Die zweite österreichische Männertagung Anfang Juni 2001 in Innsbruck war ein voller Erfolg. Männer beschäftigen sich mit sich selber, bringen sich zur Sprache und wollen gehört werden. Das Männerbüro war Mitveranstalter.


von Markus Hofer

Neben den Tirolern waren die Vorarlberger am stärksten vertreten. Über 150 Männer aus ganz Österreich, Deutschland, Südtirol, Schweiz und Liechtenstein trafen sich vier Tage lang im Haus der Begegnung in Innsbruck und stellten sich in Vorträgen und Workshops dem Tagungsthema "Vater, Sohn und Männlichkeit". Das Thema wurde von verschiedenen methodischen Zugängen aus beleuchtet. Eine gemeinsame Resolution, die auch politische Forderungen beinhaltet, bildete den Abschluss. Die Tagung hatte Hand und Fuß und soll darum auch Folgen haben.
 

Die Krise der Kerle

Lange Zeit war für Männer die Welt in Ordnung: Sie gingen ihrer Arbeit nach und ernährten damit ihre Familien zu Hause. Nach dem Umbruch, der statt gefunden hat, reicht das nicht mehr aus. Mit der "Krise der Kerle" beschäftigte sich Thomas Gesterkamp in seinem Eröffnungsvortrag. Männer fühlen sich durch diesen Umbruch entwertet, meinte Gesterkamp und auch die Frauen seien oft sehr ungeduldig mit den Männern. Der Wunsch, im Vatersein eine aktivere Rolle zu spielen, wachse allerdings bei den Männern, auch wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch hinter her hinken. Väter, die sich verändern wollen, gelten immer noch als Exoten, meinte Gesterkamp, der bei allen Schwierigkeiten den Männern Mut zu Veränderung zusprach.
 

Ein älterer Mann

Der erste Abend galt Günther Nenning und er hielt, was der Name versprach. Er war witzig und originell, verquer und geistreich, vor allem aber ehrlich und authentisch. Auf die Frage, was sich in seinem Leben als Mann in Bezug auf Frauen verändert habe, antwortete er offen und pointiert: "Als ich Linksmarxist war, war ich überzeugt, dass das moralisch ausreicht und ich mich nicht auch noch besonders um die Frauen bemühen müsse. Zu einem fairen Verhältnis zu Frauen kam ich paradoxerweise erst, als ich ganz reaktionär mit der Vielpuderei aufhörte und monogam wurde." Es tut manchmal sehr gut, einem älteren Mann zuzuhören, wenn dieser von seinen Lebenserfahrungen spricht. Wenn er es dann auch noch sprachlich so pointiert kann wie Günther Nenning, dann umso besser.
 

Die Geschichte der Väter

Albrecht Mahr, der gleichzeitig einen Workshop zu systemischer Familienaufstellung anbot, beschäftigte sich mit dem Tagungsthema aus familiendynamischer Sicht. Väter und Söhne sind im Familiensystem miteinander verstrickt. Wenn Söhne sich immer nur als Opfer der Väter sehen, bleiben sie verstrickt und kraftlos. Der und kein anderer ist mein Vater - dies anzuerkennen ist, so Mahr, das Tor zu einer guten eigenen Vaterschaft und zu liebevoller Männlichkeit.
 
In den Familienstellungen zeige sich in den letzten Jahren, wie sehr das geschichtliche Erbe unserer Väter und Großväter jetzt erst so richtig aufbricht. Als diese aus dem Krieg heim kamen, konnten sie nicht reden. Sie waren sprachlos über das, was sie gesehen oder getan hatten. Sie hatten keine Chance, es zu bearbeiten. Das Erbe wirkt jedoch weiter und wir Söhne können die Verstrickung nur lösen, wenn wir in Achtung und Verständnis hinschauen auf das, was war, wenn wir mit Würdigung und Respekt der Geschichte unserer Väter entgegentreten. Offenes Interesse statt dem Verlangen von Rechtfertigung, heilendes Hinschauen statt nachträglichen Vorwürfen könnten für uns Söhne ein Tor in eine befreite Zukunft sein.
 

Geschichte eines Vaterlosen

Dass die Jungen die Alten heilen können, wenn sie es in richtiger Haltung tun, zeigte auch der Vortrag von Richard Rohr. Er erzählte die Geschichte von Parzival, dem es als noch naivem Jüngling gelingt, den kranken Gralskönig zu heilen. Die Geschichte von Parzival ist uralt und doch hochmodern. Es ist die Geschichte einer Alleinerzieherin und eines Vaterlosen. Richard Rohr verdeutlichte in diesem mythologischen Zugang den Weg, den ein Junge heute noch gehen muss, wenn er zu reifem Mannsein gelangen will. Die Lösung von der Mutter ist unabwendbar, auch wenn sie ihn nicht gerne ziehen lässt, da sie dann ganz allein ist. Über Wege und Irrwege, unterstützt von väterlichen Mentoren gelangt Parzival dann zu jener männlichen Reife, die ihn zum fairen Krieger, einfühlsamen Liebhaber und verantwortungsvollen König machen.

Rahmenbedingungen

Wassilios Fthenakis verkörperte die empirische Väterforschung und demonstrierte in seinem Vortrag eindrucksvoll, dass das keine trockene Sache sein muss. Vater- und Mutterschaft sind für ihn nicht nur geschlechtsbedingt, sondern mit den Rahmenbedingungen verknüpft. Da die Bedeutung der Väter unbestreitbar sei, hätten der Staat und die Gesellschaft auch die Verantwortung, die Rahmenbedingungen dafür zu gestalten, nicht zuletzt auch bei Trennung und Scheidung. Für die österreichische Situation (alleinige Obsorge) hatte er nur ein Kopfschütteln übrig.

Seine Studien haben gezeigt, das die Einstellung der Mutter zur Männlichkeit des Vaters Einfluss hat auf die Männlichkeit des Sohnes. Umgekehrt, meinte Fthenakis, müsse den Männern heute klar sein, dass sie sehr kompetenten Frauen gegenüber stünden. Sie werden sich also auch selbst bemühen müssen, um eine gute Beziehung zu gestalten. Die Geburtenrate gehe genau in jenen Ländern rapide zurück, in denen es wenig Kinderbetreuungseinrichtungen gebe und sich die Männern nicht aktiv an den familiären Aufgaben beteiligen.

Workshops und Resolution

Verschiedene Workshops von der Schwitzhütte über Bioenergetik und Bibliodrama, Sexualität und Scheidungsväter bis hin zur Familienaufstellung rundeten das Programm der Männertagung ab und boten gleichzeitig Möglichkeiten zur persönlichen Vertiefung. Eine eigene Gruppe arbeitete an den Abenden an einer Resolution, die am Sonntag vor Politikern präsentiert wurde. Für alle Interessenten wird es im Frühherbst eine umfassende Dokumentation der Tagung geben, die im Männerbüro angefordert werden kann.