„Wenn die Menschen früher traurig waren, haben sie gebetet oder eine Revolution gemacht. Heute gehen sie los und kaufen sich was. (Erich Fried)“ Depression und Kaufrausch ist jedoch eher die weibliche Variante, Männer haben da noch ganz anderes auf Lager.

von Markus Hofer

Etwa 20-30% aller Menschen leiden einmal in ihrem Leben an einer Depression. Noch sind es in der Statistik 2/3 Frauen und nur 1/3 Männer – und doch dürften beide gleich davon betroffen sein. Warum wird Depression bei Männern weniger erkannt?

Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen liegt es an den Männern selbst, weil sie nicht krank sein wollen, angeblich nicht schwach sein dürfen. Depressionen werden von vielen als ‚Schwächlingskrankheit’ angesehen, wie die Reaktionen rund um den Fußballer Sebastian Deisler zeigten, der vor einem Jahr wegen Depressionen nicht mehr arbeitsfähig war und sich stationär behandeln lies. Darum sind Männer schlicht und einfach Meister im Ignorieren der Symptome: „Mir geht’s doch gut“, wie das Buch von Terrence Real treffender Weise heißt.

Der zweiten Grund liegt darin, dass sich Depressionen bei Männern oft anders äußern als bei Frauen. Das weibliche ist eher das klassische Muster des niedergeschlagenen Rückzugs, das männliche ist die überaktive Flucht nach vorn. Typische Reaktionen sind übermäßiger Alkoholkonsum, exzessiver Sport und ungesunde Arbeitswut. Den meisten Betroffenen ist nicht bewusst, dass sie krank sind. Sie flüchten in ihre Arbeit, tarnen ihre Unruhe als Wut, kompensieren durch aggressives Verhalten oder betäuben ihre Unzufriedenheit mit Alkohol, Sex und sportlicher Hyperaktivität.

Eine Depression kann ohne ersichtlichen Grund oder aber als Folge eines belastenden Ereignisses eintreten. Für Terrence Real sind es häufig Vater-Sohn-Beziehungen, in denen sich Loyalität und Auflehnung gegenüber dem Vater unauflösbar verknoten. Eine solche Depression kann auch vom Vater auf den Sohn übertragen werden. Der Teufelskreis ist nur zu durchbrechen, wenn der Mann zu seinem verleugneten Schmerz und dessen meist frühkindlichen Ursachen Kontakt aufnimmt. Dadurch können sich dann auch die Beziehungsmuster ändern.

Depressionen sind eine Krankheit, aber man kann erst etwas gegen die Krankheit tun, wenn sie sein darf und erst dann kann es professionelle Hilfe geben. Für Terrence Real gibt es letztlich nur eine Methode, die (vor sich selbst) verborge-ne Depression zu kurieren: die offene Depression. „Zuerst muss der Depressive durch das Feuer gehen, vor dem er weggelaufen ist. Er muss den Schmerz zulassen. Dann hat er eine Chance, die verborgene Depression zu heilen, indem er lernt, sich selbst echte Fürsorge entgegenzubringen und ein Gefühl für den eigenen Wert zu entwickeln.“ Sich stellen statt flüchten, könnte man auch sagen. C.G. Jung meinte, dass man ‚die schwarze Dame’ an den Tisch bitten müsse, um zu schauen, was sie zu sagen hat.

Buchtipp

Terrence Real: Mir geht’s doch gut. Männliche Depressionen – warum sie so oft verborgen bleiben, woran man sie erkennt und wie man sie heilen kann, Bern 1999