von Hubertus Hartmann
 
"Frau mit hohen Absätzen und Minirock von Mann attackiert und mißhandelt", so steht es nicht selten in den Zeitungen. Die Antwort kommt dann schnell: "Hätte sie sich anständiger gekleidet, dann wäre so etwas nicht passiert". Oder:"Alkoholisierter Mann schlägt Frau und Kinder". Der Alkohol war Schuld dann an seiner Tat - "sonst hätte er das nie getan". In diesem System bewegt sich der Täter. Er hat und sucht und findet immer wieder seine Gründe.

Ca. 1/4 aller Männer sind gewalttätig und diese Männer gehören allen Schichten an. Die meisten Männer, die ihre Partnerinnen schlagen, reden sich ein, daß dies ein einmaliger Aussetzer sei und sie müßten eben aufpassen, daß dies nicht mehr passiere. Dabei sehen sie nur den Auslöser und verdrängen, daß die Gewalt Teil ihres Verhaltens ist. Auslöser sind Ohnmacht, aussichtslose Situationen, unterlegene Position, Kontrollverlust, Schwäche und Blöße, drohende Niederlage, Gesichtsverlust. Der Täter findet für sein Verhalten sehr rasch eine Antwort: Alkohol, Geldnot, Spannungen in der Beziehung, Streßsituation, Jähzorn, Arbeitslosigkeit, Gewalt in der eigenen Kindheit usw. Das heißt, er begründet sein Verhalten in äußeren Umständen und weist somit die ganze Verantwortung für die Schwere der Tat von sich. Er sucht immer wieder Schlupfwinkel, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Der erste Schritt für den Täter muß sein, sich dieser Verantwortung zu stellen und Hilfe aufzusuchen.

Als Therapeut gehe ich den Weg der Konfrontation mit dem Täter ohne Wenn und Aber. Ausreden sind ein klares Indiz für ein Abgeben von Verantwortung. Wichtig ist mir in dieser Arbeit die Achtung vor dem Menschen, ihn nicht zu verletzen oder abzuwerten, sondern seine Tat zu verurteilen und ihn mit dieser zu konfrontieren.

Joachim Lempert beschreibt sehr einleuchtend in seinem Artikel "Männer gegen Männer- Gewalt" verschiedene Phasen, nach denen Gewalt abläuft: Der Mann wird gewalttätig. Dabei spürt er ein Gefühl der Erleichterung und Befreiung. In einer Situation, die er bis dahin ohnmächtig und angstvoll erlebte, ist er endlich wieder aktiv geworden. Dann wird ihm bewußt, was er getan hat und er erschrickt vor sich selbst. Er sieht das entsetzte Gesicht und die Spuren der Gewalt bei seiner Partnerin. Reue und Scham setzen ein, bittet um Verzeihung und schwört, daß so etwas nie wieder vorkommt. Dann scheint sich das Verhältnis wieder zu normalisieren. Oft wirkt es sogar so, als ob eine neue Harmonie in das Verhältnis eingekehrt sei, da er ihr gegenüber besonders aufmerksam und liebevoll auftritt. Für sich ist der Mann dabei, seine Schuldgefühle abzubauen. In dem Maße, wie der ganz normale Alltag wieder einzukehren scheint, wird über den "peinlichen Vorfall" der Mantel des Schweigens ausgebreitet. Es ist, als hätte es die Gewalt nie gegeben. Bei manchen Partnern führt die Erleichterung darüber, daß sie diese "Krise" überwunden haben, sogar zu einer "neuen Verliebtheit". Die Erinnerung an die Gewalt ist verblaßt. Die alten, ungelösten Konflikte erzeugen bald wieder Aggressionen, bei denen es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie sich wieder entladen. Irgendwann ist es dann soweit und es kommt zu einem heftigen Streit. Was bisher bewußt oder unbewußt verdrängt wurde, bricht jetzt um so heftiger hervor. Dann ist es oft nur ein Wort, eine Geste, eine Handlung, die wie ein Zündfunke wirkt und es beginnt von vorne.


von Bertram Strolz

Die sog. "Opferarbeit" von Frauen für Frauen in speziellen Beratungsstellen hat heute einen guten Versorgungsstandard erreicht. Sie ist aber begrenzt, da diese Arbeit auf der Männerseite kaum Veränderung bewirkt. Nicht wenige Frauen kehren nach einer gewissen Zeit des Schutzes in ihre häusliche Umgebung zurück und entdecken, daß sich dort kaum etwas verändert hat.

Der erste Schritt für Veränderung bei einem Mann, der geschlagen hat, wäre die Umbenennung des Satzes "Sie hat mich dazu gebracht, daß ich sie schlage" in das persönliche Eingeständnis "Ich habe sie geschlagen". Diese Übernahme der Verantwortung fällt Männern nicht leicht, da sie verbunden ist mit "unmännlichen" Eigenschaften: mit dem Gefühl der Scham, der Verunsicherung und vielleicht auch von Traurigkeit.

Es gibt aber kein ausreichendes Angebot, das sich deklariert "von Mann zu Mann" mit der Gewalt-Problematik beschäftigt. Die drei Psychotherapeuten Hubertus Hartmann, Peter Lissy und Bertram Strolz haben sich deshalb zu einem losen Praxisverbund zusammengeschlossen, um genau hier Unterstützung für Männer anzubieten. Die therapeutische Arbeit mit Gewalttätern - und das sind zu 90% nun mal Männer -betrachten wir als notwendige Ergänzung zur Hilfestellung für die Gewaltopfer, da sich sonst der Kreislauf der Gewalt nicht wirklich unterbrechen läßt.

Angestaute Emotionen, seien dies Aggressionen, Gefühle der Minderwertigkeit, Wut, Traurigkeit, Überforderung und Überlastung führen zu psychischen Spannungszuständen, die sich dann auch in Gewalthandlungen entladen können. Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, ist ein Grundsatz der Psychotherapie. Als Therapeut versuche ich, mit dem Klienten gemeinsam, die Tat und die dazuführenden Ereignisse in einen Zusammenhang zu setzen und dadurch zu verstehen. Dies löst den Täter jedoch nicht aus seiner Verantwortung für die Tat. Im Gegenteil - im Übernehmen der Verantwortung für die Tat und in der Auseinandersetzung mit den damit aufkommenden Gefühlen (Scham, Wut auf sich selbst, Angst, Traurigkeit usw.) liegt das eigentliche Potential für Heilung. Für mich heißt das, den Täter nicht in die Opferrolle schlüpfen zu lassen. Ich achte und schätze meinen Klienten als Mensch, lehne jedoch seine Konfliktlösungsversuche mit Gewalt grundsätzlich ab. Diese Grenzziehung ist gerade in einem therapeutischen Kontext wichtig, in dem ein Mann die Grenzen seiner Frau durch körperliche Gewalt massiv verletzt hat.