„Immer diese Jungs mit ihrer Rauferei!“ Sie sind heute schnell in Verruf, doch der Umgang mit ihrer Kraft und das Kämpfen sind für sie wichtig. Und sie müssen lernen, wie es fair geht.

von Stefan Schäfer

„Als unser Jakob größer wurde, beobachte ich ein bisher mit unseren Mädchen nicht gekanntes Verhalten. Wenn Jakob sich einer Sache oder anderen Kindern zuwandte, ging wie ein Zittern durch seinen Körper und mit Kraft zeigte er, was er wollte und setzte die Kraft auch ein. Da gehörte Körper und Stimme dazu.“ So beschreibt eine Mama ihre Erfahrung mit dem ersten Sohn. Ich kenne Jakob, er ist ein feinfühliger und sensibler Junge. Er ist oft gerne ganz für sich. Mit anderen kann er Stunden im Spiel versunken sein, um dann wieder im „Land der wilden Kerle“ zu leben.

Körperkraft und deren Einsatz hat für Jungen eine identitätsstiftende Bedeutung. Körperkraft zu spüren ist lustvoll und hilft sich wahrzunehmen. Im Umgang miteinander, im Spiel ist die eigene Kraft und die Kraft des Gegenübers eine Fähigkeit und eine Herausforderung. Väter kennen das Rangeln und Raufen mit ihren Söhnen, die nicht genug davon bekommen können. Viele Gelegenheiten werden gesucht um sich zu messen, die eigene Kraft zu zeigen, den anderen herauszufordern. ER soll sich mir stellen. Wer den Kampf scheut, das ist kein richtiger Mann. Die Kraft zu leben macht Spaß. Dabei spüre ich meinen Körper, lerne ihn und mich kennen. Dem anderen zeigen, was in mir steckt, ist ein Sinn davon. In Beziehungen wird die Hierarchie mit einem offenen Kampf hergestellt. Als Junge meine Kraft zu zeigen, ist darum eine ernste Angelegenheit.

Der Gefahr, die damit verbunden ist, muss man klar sehen. Die Angst vor Schmerz und Verletzung wird versteckt oder nicht wahrgenommen, weil sie im Widerspruch zum althergebrachten, unhinterfragten Männerbild steht.

Doch der Spaßkampf mit dem Papa ist eine ernste Sache. Selbst hier will der Kleine gegen den erwachsenen, übermächtigen Vater nicht verlieren – übrigens die Väter wollen auch nicht verlieren. Irgendwann stellt sich die Frage nach der Grenze. Zuerst nach dem Überschreiten der Grenze, weil ich zu viel Kraft einsetze und dem anderen wehtue. Wann hören wir auf, wann ist es genug? Spaßkämpfe enden oft mit Tränen.

Die Sozialisation eines Jungen fügt für den Umgang mit der Kraft das ihre dazu. Mit Sozialisation ist hier gemeint, was wird einem Jungen durch die Familie und die Menschen, mit denen er zu tun hat, gezeigt, was ein richtiger Junge ist. Der Widerspruch zwischen männlichen Impulsen und dem was die Mama sich wünscht, macht nur noch klarer, was Männlichkeit bedeutet. Ein Ziel ist, dass Buben groß und stark werden. Das wird ihnen schon gesagt, wenn sie ihren Apfelbrei gefüttert bekommen. „….damit du groß und stark wirst!“ Kraft und Stärke gehören zu den Jungs und darüber werden sie von außen oft bewertet. Für das innere Selbstbild von Jungs ist Kraft, die sich in Körperstärke zeigt, identitätsstiftend.