Normalerweise schämen sich Männer vor den Frauen, weil sie keine so großen Tänzer sind. Es gibt eine Geschichte, in der sich eine Frau schämt, weil ihr Mann tanzt, öffentlich, leichtbeschürzt und vor allen Leuten.

 

von Reinhard Maier

Die Geschichte stammt nicht aus dem Roman "Alexis Sorbas", sie ist viel älter. Es ist eine biblische Geschichte und es geht um den König David, von dem wir oft nur wissen, daß er den Riesen Goliath mit einer Steinschleuder besiegt hat. David fasziniert gerade weil er wie kaum ein anderer seine männliche Vielfalt lebt. Er ist nicht nur König und Krieger. Er ist auch Dichter, Musiker und Liebhaber in einer Person. Daß er sich von Gott geliebt und getragen weiß, zeigt sich nicht nur darin, daß er Feinde besiegt. Er tanzt ebenso ausgelassen vor Freude, so ausgelassen, daß seine Frau sich sogar schämt:

"Als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, tanzte David voller Hingabe neben der Bundeslade her, um den Herrn zu loben. Er war nur mit einem leichten Leinenschurz bekleidet, wie ihn sonst die Priester trugen. Jubelnd brachten David und alle Israeliten, die ihn begleiteten, die Bundeslade nach Jerusalem, und die Musiker bliesen in die Hörner. Als die Menge in der Stadt Davids ankam, schaute Davids Frau Michal, die Tochter Sauls, aus dem Fenster. Sie sah, wie der König hüpfte und tanzte und verachtete ihn dafür. ..."

Als David nach Hause ging, um seine Familie zu sehen, war er noch nicht im Palast, als ihm Michal entgegenkam. "Ach, wie würdevoll ist heute der Herr König vor seinem Volk aufgetreten!", spottete sie. "Bei deiner halbnackten Tanzerei hast du dich vor den Sklavinnen deiner Hofbeamten schamlos entblößt. So etwas tut sonst nur das Gesindel!" David erwiderte: "Ich habe dem Herrn zu Ehren getanzt. Er hat deinem Vater und seinen Nachkommen die Herrschaft genommen und sie mir anvertraut. Mich hat er zum König über sein Volk Israel eingesetzt, und ihm zu Ehren will ich auch künftig tanzen. Ja, ich wäre sogar bereit, mich noch tiefer zu erniedrigen als heute. Du magst mich verachten, aber die Sklavinnen, über die du so herablassend gesprochen hast, sie werden mich schätzen und ehren."
(1 Sam 6,14-16; 20-23)

Gott gibt im übrigen nicht seiner eifersüchtigen Frau recht, sondern dem ausgelassen tanzenden König, weil er weiß, daß er für ihn tanzt. Heuten würde man vielleicht sagen: seinetwegen ausflippt.