Schon früh beginnt bei manchen der Traum vom wohlverdienten Ruhestand, einer Art phantasiertem Schlaraffenland jenseits der Arbeitswelt. Frei von Erwerbsarbeit ist allein aber noch nicht das Paradies.

von Markus Hofer

Mit 51 Jahren wurde Luggi frühpensioniert, natürlich im Dienste unserer Staatsbahnen. Aus Kostengründen wurden zu Lasten der Pensionskasse teure Arbeitskräfte eingespart. Er hätte nach einer Karriere im Schalterdienst sich auf Gefängniswärter umschulen lassen können oder eben in Frühpension gehen. Eine ordentliche monatliche Pension bereits mit einundfünfzig, das Haus abbezahlt, die drei Kinder groß – da kommt fast Neid auf. Und so war es auch am Stammtisch oder beim Fußballklub. Eine Kollegin meinte: „Genieß das Leben. Jetzt kannst du immer Urlaub machen!“ Urlaub ist aber der Kontrast zu Arbeit und „immer Urlaub“ ist noch lange nicht das Paradies. Luggi musste das mühsam selber erfahren.

Anfangs ging es noch, denn da hatte er zu tun mit der Renovierung seines Hauses. Doch als die Arbeiten fertig waren und ihn gleichzeitig die damalige Partnerin verließ, fiel Luggi in ein großes Loch: „Ich habe einfach nicht mehr gewusst, was ich mit mir anfangen sollte. Der Tag dehnte sich zwischen Zeitungslesen und Haus-arbeit. Die Nachbarn wollten mich aktivieren, aber mein Loch war stärker.“ Zunehmend mied er die Leute, ging nicht mehr zum Fußball und nicht mehr ins Gasthaus.

Es war nicht nur der Verlust der Partnerin. Luggi brachte die Füße nicht mehr auf den Boden, weil er keine Aufgabe mehr hatte, keine Berufung, sich selber unnütz vorkam und so das Leben zunehmend als sinnlos empfand. Der vermeintliche Dauer-Urlaub kann auch eine Hölle sein, wenn man das Gefühl hat, nicht mehr gebraucht zu werden. Irgendwann stieg der Alkoholkonsum. Nach einem dumpfen Tag war es so wenigstens möglich, betäubt in den Schlaf zu fallen. Zudem geriet er in Beziehungen zu Frauen, von denen er sich dominieren ließ. Sein Selbstbewusstsein als Jungpensionist war derart im Keller, dass er seinen Partnerinnen nichts entgegenhalten konnte, zu keiner ebenbürtigen Beziehung mehr fähig war.

Was in seinen Erzählungen ständig auftaucht, ist sein intaktes soziales Netz, seine erwachsenen Kinder, seine Geschwister und Freunde, die ihn nach einigen Berg- und Talfahrten immer wieder motivieren konnten. Luggi suchte nach neuen Herausforderungen: „Von heute auf morgen meldete ich mich bei Tischlein-deck-dich und das hat mir gut getan, aber es war dann doch zu wenig.“ Und so kam es zum Kontakt mit P. Sporschill und eine Woche später saß er im Bus nach Rumänien, wo er zwei Monate in einem Projekt für Zigeuner arbeitete; die nennen sich übrigens selber so und wollen so genannt werden. Für Menschen in Not da zu sein und mit eigenen Händen anzupacken, war im Grunde Luggis Rettung. Sein handwerkliches Geschick war gefragt und er hatte wieder eine Aufgabe. In dem Projekt von P. Sporschill werden die Behausungen dieser Leute auf einen halbwegs menschenwürdigen Zustand gebracht. Das Essen bei den Einheimischen war manchmal eine Herausforderung, aber freundlich waren sie: „Das waren strahlende Augen, wie es sie bei uns nicht gibt!“

Für das vaterlose Straßenkind Schobi wurde Luggi zumindest für kurze Zeit eine Art Vaterersatz. Der junge Mann hat nie Vertrauen gelernt und umso bedürftiger ist er nach verlässlichen Bezugspersonen. Luggi freut sich darauf, ihn wieder zu sehen, wenn er sich in ein paar Wochen wieder für längere Zeit aufmacht nach Rumänien. Auch das Gesicht des Jungpensionisten hat wieder begonnen zu strahlen.