Sommerzeit ist Urlaubszeit – eine Zeit der Unterbrechung, vielleicht auch eine Zeit zum Nachdenken. Auf jeden Fall eine Zeit zum Ruhen: Löwen glänzen ja auch, wenn sie nichts tun.

von Markus Hofer

Wir Männer haben ein starkes Bedürfnis nach Selbstbestätigung. Aus unserer Sicht leben wir in einer hierarchischen, klar gegliederten Ordnung, in der alles seinen Platz, seinen Status hat. Rolle, Status, Ansehen und Prestige sind für uns Männer elementar. Es geht um die Rangordnung, die allerdings immer wieder verteidigt werden muss. Bei Filmen über Löwen- oder Hirschrudel denke ich mir immer, so weit sind wir von denen gar nicht entfernt. Wenn der Löwe sich brüllend in die Brust wirft, der Hirsch röhrend sein Geweih erhebt, kommt mir das manchmal sehr vertraut vor. Der Kampf um Status und Prestige, der Revierkampf, sind vitale Antriebsfedern im Tun und Leisten von uns Männern.

Was mir aber bei den Löwenrudeln auffällt, ist, dass diese Könige der Tiere insgesamt eigentlich mehr herumliegen als kämpfen. Ihnen scheint der Instinkt noch zu sagen, dass man nicht immer kämpfen kann, dass man nicht ununterbrochen leisten und glänzen kann. Heimlich denke ich mir dann immer: Eigentlich glänzen diese Löwen ja auch, wenn sie nur herumliegen - diese Weisheit scheinen sie uns voraus zu haben. Das Problem liegt nicht daran, dass wir sind, wie wir sind; es liegt daran, dass wir unser Männlichkeitsideal vielleicht übertreiben und einseitig leben, dass wir glauben, vom stark und männlich sein, keine Pause machen zu dürfen. Man kann nicht ununterbrochen voll im Saft stehen! Die Löwen wissen es.

Eine Portion Anarchie, eine Portion Verweigerung am richtigen Ort könnte unser Überlebensmittel sein, denn als Mann in der Leistungsgesellschaft immer zu funktionieren ist lebensgefährlich. Wir brauchen Inseln im Alltag, wo unsere sozialen und beruflichen Rollen, die alltäglichen Zwänge und der Konkurrenzkampf vor der Tür bleiben. Wir brauchen die Orte, an denen die Platzhirsche die Geweihe an den Zaun hängen und sich eine Pause gönnen. Jemand hat einmal gesagt: Es wäre schön, Mann zu sein, wenn man nicht immer Mann sein müsste!

Vielleicht müsste es Ziel der Männerarbeit sein, Männer zu Lebenskünstlern zu machen, die Spaß und Nutzen wieder zusammenbringen, die in einem umfassenden Sinn lebens- und genussfähig sind, die ihre zutiefst menschlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte mit den Zwängen des Lebens zusammenbringen, die mit dem Maß des Menschlichen messen, die sich vielleicht auch einmal verweigern, die den wahren Wert der Muße kennen, die sich in ihrem Leben noch be-sinn-en, die letztlich von einer größeren und ruhigeren Tiefe des Lebens getragen sind.

Oder wie es beim Prediger Kohelet im Alten Testament heißt: „Ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe.“