Trotz verbreitetem Jugendkult - immer strahlend und ewig potent - wird er langsam zum Thema, der Mann in seinen angeblich besten Jahren. Wie wird man(n) älter und weiser statt kindischer?

 

von Reinhard Maier
 
Mit Vollgas in Richtung Karriere. Leistung, Erfolg und Anerkennung in Beruf und Öffentlichkeit, im Privatleben und Freundeskreis. Jung, reich, schön, immer gut drauf. So sieht das Idealbild des Mannes aus, das tief in uns drin steckt, das uns Werbung und Medien in ständiger Dosis einträufeln.
 

Die Erschütterung

Und dann läuft es doch nicht auf allen Linien wunschgemäß. Ein erhoffter Erfolg bleibt aus, eine Beziehung geht in Brüche, die Jungen sind schneller, haben härtere Ellbogen. Die "besten Jahre" des Mannes erscheinen auf einmal gar nicht so rosig. Irgendeine Begebenheit versetzt uns in innere Bewegung, erschüttert unsere Persönlichkeit. Krise der Lebensmitte - Midlife crisis.
 

Midlife crisis

Urplötzlich kann sie zuschlagen: gesundheitliche Probleme, allgemeine Erschöpfung oder undefinierbare Beschwerden - Störungen im seelischen Gleichgewicht, depressive Stimmungen, unerklärliche Ängste, Niedergeschlagenheit oder keinen Lebenssinn mehr erkennen können. Eine ganze Liste von Symptomen zählt die boomende einschlägige Literatur auf. Von Verunsicherung im Beruf, Krise in der Partnerschaft, Verlust des allgemeinen Wohlbefindens und der inneren Sicherheit, Empfindung der generellen Überforderung, Verlust der gewohnten Lebensenergie, länger dauernder Niedergeschlagenheit, Depression, Angstgefühle, Krankheit, physischem oder psychischen Zusammenbruch ist da die Rede. Nur, für den gerade davon Betroffenen ist die Situation alles andere als klar oder einfach.
 

Krise statt Höhepunkt

Das stellt auch Dieter Wartenweiler in seinem Buch "Männer in den besten Jahren" fest. Als Psychologe meinte er, natürlich alles zu wissen und damit den Eintritt in die dritte Lebensphase schon erworben zu haben. Irrtum. Es kommt anders. Es ist zuerst eine Erschütterung, Grenzen der eigenen Kräfte zu erfahren. Die Einsicht zu machen: nun bin ich nicht mehr bei den Ewig-Tüchtigen, die pausenlos arbeiten können. Was tun mit der Einsicht, dass der Lebensherbst beginnt?

Krise als Chance

Sollen wir diese Entwicklung möglichst schnell umkehren und den Alterungsprozess per Hormonkur ausbremsen? Spirituelle Autoren wie Richard Rohr sind da anderer Ansicht: "Gott redet gerade durch Schwachheit, Leiden, Schmerz, Scheitern und Ablehnungs-erfahrungen zu Menschen. Er kommt normalerweise nicht durch unsere Stärken zu uns."

Der Gewinn

Älter werden ist nicht nur ein Verlust, es ist auch ein Gewinn. Es ist eine Chance für eine neue Lebensorientierung, wo unser Leben zu sehr der Routine verfallen ist. Wir können eine Stärke darin entdecken, die eigene Schwäche zu akzeptieren - das kann befreiend wirken. Was nur einseitig Stärke, Erfolg, Gelingen gelten lassen will, ist keine erlöste Männlichkeit. Nochmals Richard Rohr: "Das Scheitern, die große Niederlage, ist das ,Loch in der Seele', durch das Gott hereinkommt und wir herauskommen aus der Gefangenschaft. Es ist der Anfang der Weisheit."