Immer weniger Menschen leisten immer mehr Arbeit. Nicht nur, weil sie dazu gezwungen sind, sondern auch, weil sie sich - und das gilt gerade für Männer - ausschließlich über ihre Arbeit definieren. Wer nicht arbeitet, ist nichts. Bei einem Seminar in St. Arbogast wurden Alternativen aufgezeigt.


von Andreas Neuhauser

20 ganz unterschiedliche Männer im Alter Zwischen 30 und 55 Jahren - vom Schuldirektor bis zum Nebenerwerbslandwirt - verbrachten einen Tag lang im Bildungshaus St. Arbogast. Eines hatten sie gemeinsam: viel Arbeit und den Wunsch, ein Stück weit zu sich selbst zu finden. Unter dem selbst-auferlegten oder erzwungenen Leistungsdruck leiden auch Partnerschaft und Familie. Nicht zufällig waren einige der Teilnehmer von ihren Frauen zum Seminar geschickt worden.

Hans Werner kam aus eigenen Stücken. Der 44jährige ist Verkaufsleiter eines gutgehendes Betriebs und Vater von zwei Kindern. Sein Sohn ist behindert. "Die Arbeit wird immer hektischer, es bleibt immer weniger Zeit für Entscheidungen. Andererseits versuche ich, ein engagierter Vater zu sein und bemühe mich um die Integration meines Sohnes. In diesem Spannungsfeld komme ich aber selber zu kurz." Die Möglichkeit, mit anderen über seine Probleme zu sprechen, hat Hans Werner gefehlt, bis er auf die Angebote des Männerbüros der Diözese Feldkirch, das das Seminar veranstaltete, aufmerksam wurde.
 

Muße "erarbeiten"

Der Erfahrungsaustausch war auch ein wichtiger Bestandteil des Seminars, das der Erziehungswissenschaftler Dr. Erich Ribolits leitete. Sein Anliegen ist die Wiederentdeckung der Muße. Die müsse man sich - so paradox es klingt - erarbeiten. Ribolits:

"Es bedeutet Mühe, sich zu verändern." Auch müsse man erkennen, daß man nicht alles schaffen kann. "Man muß die Balance zwischen der Impotenz und der Omnipotenz finden." Die Fähigkeit, loszulassen, auszuspannen und auch einmal etwas "nicht Nützliches" zu tun, könne man aber lernen, etwa durch bewußte Reflexion oder durch fixes Einplanen von "Mußestunden".
 

"Muße" schafft Arbeitsplätze

Hunderttausende sind in Österreich arbeitslos. Und da besuchen Leute ein Seminar, um zu lernen, wie sie mit weniger Arbeit zufriedener und gesünder sein könnten? Nur scheinbar ein Widerspruch, meint Ribolits. Denn würden mehr Menschen nach dem Motto "Der Mensch lebt nicht vom Job allein" handeln, gäbe es auch mehr Arbeitsplätze. Mögliche Lösungen wie "Jobsharing" und Arbeitszeitverkürzung sind nicht zuletzt deshalb so schwer zu verwirklichen, weil unsere Gesellschaft Leistung über alles stellt.

Männer haben es in diesem Punkt besonders schwer. Sie haben von klein auf gelernt, daß sie Leistung erbringen müssen, um etwas zu gelten.

Wer mehr arbeitet und mehr verdient, ist der bessere Mann. Zum eigenen Ehrgeiz kommen die Erwartungen des Chefs und der Familie. Am Ende steht oft die Scheidung oder der Herzinfarkt.