von Markus Hofer

Burnout-Menschen können nicht mehr abschalten. Noch lange vor der Wecker klingen wird, geht es los und zwar ungefähr so:

„Bald geht der Wecker. Ich darf ja nicht verschlafen, das wäre eine Katastrophe. Habe ich gestern den Geschirrspüler ausgeräumt? Sonst heißt es wieder, aber ich steh eh früher auf. Die noblere Krawatte darf ich nicht vergessen heute wegen des Termins und nicht vorher ankleckern. Wenn der Termin daneben geht, weiß ich nicht mehr weiter. Dabei hat der Chef meine Unterlagen sicher gar nicht angesehen. Drei Nachtschichten waren das. Hoffentlich hat gestern die Schularbeit der Tochter geklappt. Ich bin zu spät heim gekommen. Sonst gibt es wieder Schtunk beim Frühstück. Wann soll ich noch mit ihr lernen? Dem Müller muss ich heute das Buch mitbringen, dem Schleimer, aber wenn der blöd über mich redet, bin ich geliefert. Eigentlich wollte ich noch das Auto waschen. Das vom Chef glänzt immer so im Firmenhof. Der Müller hat überhaupt ein neues. Ob wir uns das leisten könnten? Meine Frau schläft noch so ruhig. Das habe ich schon lange nicht mehr. Hoffentlich vergesse ich den Hochzeitstag nicht. Soll ich früher aufstehen und die Unterlagen noch mal durchgehen? Mit Rasenmähen wäre ich auch schon längst wieder dran. Ich komm einfach nicht früh genug heim. Langsam stehe ich blöd da. Oft kapiere ich gar nicht mehr, wovon die beim Frühstück reden. Der Brunner hat gestern in der Firma auch so Andeutungen gemacht. Ob da was läuft? Hinter meinem Rücken? Ich muss höllisch aufpassen, sonst ist es aus.“

Ein langer Weg

Burnout ist keine Krankheit, die plötzlich auftritt. Burnout ist der Endzustand einer langen Entwicklung, die meist mit viel Begeisterung begonnen hat: Wer ausbrennt, muss einmal gebrannt haben. Dieses Engagement gibt einem das Gefühl wichtig und unentbehrlich zu sein, führt aber dazu, dass alle anderen Bereiche des Lebens dem untergeordnet werden, dass man auf Entspannungsphasen und Erholung verzichtet und körperliche Warnsignale systematisch ignoriert. Doch bekanntlich lebt kein Mensch vom Job allein.

Nach der Begeisterung kommt meist eine Phase der Stagnation und der Frustration. Der Einsatz wird als erfolglos und mühsam erlebt, führt aber nicht zur Veränderungen der eigenen Ziele. Zur dauernden Müdigkeit kommen Konzentrationsschwächen, Schwindel und Angstgefühle. Nicht selten suchen Menschen dann Ablenkung und Trost in Alkohol, Nikotin, Internetaktivitäten, vielem Essen oder häufigerem Sex. Es ist aber nicht Entspannung, die sie da finden, sondern ist eher ein suchtartig konsumierendes Verhalten.

Das Endstadium ist ein Zustand purer existentieller Verzweiflung, ein völliges Ausgebrannt sein, in dem zunehmend auch der Körper seine Dienste versagt. Allein können Betroffene sich jetzt nicht mehr retten. Es braucht gute Freunde, professionelle Hilfe und das Vertrauen in andere.

Hinter tausend Stäben

Ein Panther dreht in seinem Käfig Runde für Runde, bestaunt von den Menschen, die vor dem Käfig stehen. Der Dichter Rainer Maria Rilke hat versucht, sich in ihn hinein zu denken, die Welt mit seinen Augen aus dem Käfig zu sehen. Daraus ist ein bekanntes Gedicht entstanden, das auch ein sehr treffendes Bild für Burnout ist:

Der Panther


Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.


Das Leben selbst geht am von Burnout getriebenen Menschen vorbei. Er dreht sich nur noch im Kreis, sieht nur noch die Stäbe, die Verpflichtungen, die Aufgaben, die Verantwortung und die Lasten – und nicht mehr das Leben zwischen den Stäben. Stattdessen dreht er sich im Kreis bis zum Umfallen, bis er völlig ausgebrannt ist. Bis das Leben, wie Rilke sagt, im Herzen aufhört zu sein.

Burnout und Depression

Burnout und Depression sind verschiedene Bewegungen. Depression ist eine ständige Bewegung nach unten, eine Bewegung, die zieht und gegen die die Betroffenen zunehmend die Kraft verlieren. Im Bild des Panthers im Käfig hieße Depression: Der Panther legt sich in die hinterste Ecke des Käfigs und würde am liebsten sterben. Nicht so der Burnout-Panther, der zieht weiter seine Runden, bis er eines Tage nicht mehr kann. Burnout ist wie eine endlose Bewegung, bis der Motor zu stocken beginnt und irgendwann einfach ausläuft, stehen bleibt und nichts mehr geht.

Bei Männern gibt es eine Versuchung, Depressionen hinter Burnout zu verstecken. Burnout klingt nämlich harmloser. Da hat einer halt zu viel gearbeitet, während mann sich für Depressionen eher schämt. Im Ernstfall ist es aber wichtig genau hinzuschauen, denn eine falsche Behandlung kann kontraproduktiv sein. Falsche Scham hilft uns Männern da nicht weiter.

Gönne dich dir selbst

Der hl. Bernhard von Clairvaux hat seinem damaligen Papst einen Brief geschrieben, in dem er ihn eindringlich vor dem Ausbrennen warnt. Der Ratschlag in seinen schlichten Worten ist heute noch gültig: „Es ist viel klüger, Du entziehst Dich von Zeit zu Zeit Deinen Beschäftigungen, als dass sie Dich ziehen und Dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem Du nicht landen willst, wo das Herz hart wird. Wie kannst Du voll und echt Mensch sein, wenn Du Dich selbst verloren hast? Wenn also alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da. Wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne Dich Dir selbst.“