Hildegard von Bingen im Cineplexx – und das ohne Dinkel-Popcorn! Und das ist auch gut so. Von den 2300 Seiten ihres Lebenswerkes hat sie ganze sechs Zeilen über Dinkel geschrieben und Dinkelkekse gebacken hat sie schon gar nicht. Der neue Film „Vision“ von Margarethe von Trotta verlässt den gegenwärtigen Gesundheitsboom rund um diese bedeutsame Heilige und taucht tief ein in die Welt des 12. Jahrhunderts.

Vision Hildegard von Bingen PlakatDie Filmemacherin zeigt Hildegard von Bingen als historische Person im Rahmen ihrer Zeit und das auch mit Ecken und Kanten. Mit acht Jahren kommt die kleine Hildegard als Gabe an Gott in die Frauenklause des Benediktinerklosters am Disibodenberg. Später wird sie zur Vorsteherin der Frauengemeinschaft und schreibt ihre religiösen Visionen nieder, die sogar vom Papst anerkannt werden. Ihr Kampf mit einigen Männer der Kirche wird sehr eindringlich dargestellt, ohne dass der Film die zeitgemäßen Anti-Kirchen-Klischees bedient. Auch Widerstände rivalisierender Frauen, sei es von einer anderen Äbtissin oder innerhalb der eigenen Gemeinschaft werden nicht ausgeblendet. Der Film endet damit, dass sie als anerkannte und eigenwillige Prophetin aufbricht zu einer Predigtreise, was vor ihr noch keine Frau gemacht hat.

Das ganze Leben einer so außerordentlichen Figur passt nicht in einen Film und deshalb sind verschiedene Verknappungen durchaus angebracht. Der Regisseurin ist dies gelungen, ohne das Gesamtbild zu verfälschen. Vielleicht wäre noch weniger sogar noch mehr gewesen. Vielleicht wird auf Dauer etwas viel geredet in diesem Film und die Bilder selbst hätten noch wirkmächtiger, nachhaltiger sein dürfen. Trotzdem ist der Kinobesuch allen zu empfehlen, die sich ein realitätsnahes Bild machen wollen von der heute sehr eindimensional vermarkteten Heiligen. Informativ ist dieser Film über eine der bedeutendsten und faszinierendsten Frauenfiguren des Mittelalters auf jeden Fall.

Dr. Markus Hofer

Link-Tipps
www.vision-derfilm.de
Cineplexx-Kino Hohenems (Kinoprogramm)