Dr. Markus Hofer, Leiter des Männerbüros der Diözese Feldkirch, erweitert die Diskussion um das Beschneidungsverbot um einen weiteren Aspekt der Körperlichkeit - eine Stellungnahme.


Dr. Markus Hofer, Männerbüro

Die Beschneidungsdebatte ist voll entbrannt. Das Urteil des Landgerichtes in Köln hat eine Diskussion ausgelöst, die sich so schnell nicht legen wird.Gleichzeitig ist es nicht einfach, hier zu argumentieren, denn wir befinden uns auf vermintem Gelände. Schnell gerät man in den Verdacht, es mit der Toleranz gegenüber Andersgläubigen nicht ernst zu meinen. Trotzdem, die Vorhaut ist kein Ohrläppchen, sondern ein männliches Sexualorgan und darum drängt es mich, als Männerreferent eine zusätzliche Perspektive ins Spiel zu bringen.

Die männliche Vorhaut ist bei weitem nicht so funktionslos, wie immer getan wird. Zum einen enthält sie eine beachtliche Anzahl von Nervenendungen und zum anderen schützt sie den sehr empfindsamen Eichelrand und hält ihn damit sensibel. Bei beschnittenen Männern kommt es hingegen nicht selten zu Verhärtungen, wenn nicht gar zu Vernarbungen, die die sexuelle Empfindsamkeit beeinträchtigen.
Im 19. Jh. gab es in Europa eine riesige Antionaniebewegung, in der Buben Unsägliches angetan wurde, um sie vom Onanieren abzuhalten; ein Teil unserer Geschichte, der noch gar nicht aufgearbeitet ist. Im Zuge dieser Bewegung wurden Millionen von Buben beschnitten, um ihnen damit eben das Onanieren zu erschweren. Bei Babys kommt hinzu, dass die Vorhaut mit der Eichel noch stark verbunden ist und erst gewaltsam gelöst werden muss, damit sie abgeschnitten werden kann.


Wir haben heute, nicht zuletzt aufgrund der wichtigen Missbrauchsdebatte, ein völlig neues Verständnis von der Unversehrtheit des kindlichen Körpers und dem Recht auf körperliche Selbstbestimmung. So etwas hat es bislang noch nie gegeben. Der kindliche Körper wurde eher als Gegenstand gesehen, über den die Verantwortlichen verfügen konnten. Wenn eine derartig neue Sichtweise entsteht, kann es natürlich nötig werden, auch alte Traditionen neu zu bewerten.