„Wenn mein Vater schlechte Tage hat, schlägt er mich“, beklagt ein Sohn. Gewalt ist leider auch ein Teil des Alltags, aber Gewalt ist nie eine Lösung, sondern verstärkt nur das Problem, wie die folgende Geschichte zeigt.

Von Markus Hofer

Ein 16-jähriger Junge schreibt über seinen Vater: "Mein Vater hat eigentlich keine Zeit für mich. Er arbeitet den ganzen Tag, da er mal Leiter seiner Abteilung werden will. Er lässt uns irgendwie im Stich, obwohl ich weiß, dass es uns allen zu Gute kommen würde. Was mir überhaupt nicht gefällt, ist, wenn er einen schlechten Tag hat oder ihn sein Vorgesetzter ärgert. Er kommt dann schon mit schlechter Laune nach Hause und sucht Gründe, um mir auch etwas zu leide zu tun. Wenn er ganz schlechte Tage hat, ist er auch aggressiv und schlägt mich.“


Der Mann verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Abteilungsleiter. Diesem Ziel opfert er letztlich alles, was ihm im Grunde wichtig ist: die Familie, die Liebe seines Sohnes, vermutlich auch die seiner Frau, die Freizeit, seine Gesundheit. Er ist „zielblind“, scheint wie besessen von seinem Ziel, hat den Überblick verloren, opfert alles andere und kann nicht mehr jonglieren zwischen den Dingen, die ihm im Leben eigentlich alle wichtig wären.
Mit dem „Abteilungsleiter“ will er etwas ausgleichen, sein mangelndes Selbstwertgefühl als Mann, innere Unsicherheit, fehlende Anerkennung, eine Vaterwunde – was immer. Der Mangel muss groß sein, sonst würde er nicht alles seiner Kompensation opfern, nicht alles tun, um vom Regen in die Traufe zu kommen. Er wird auf diese Weise zum Opfer seiner selbst.


Beruflich steht er wahrscheinlich in einer unmenschlichen Tretmühle, wird getreten und tritt selbst – wenn auch an anderem Ort. Der Mann steht hilflos vor dem Chaos seiner Gefühlswelt. Es sind vor allem negative Gefühle, die ihn bestimmen: Wut, Zorn, Angst, Ohmacht. Er ist diesen Gefühlen gegenüber hilflos ausgeliefert. Er kann sie nicht mit-teilen, nicht mehr relativieren, nicht mehr klar zuordnen und findet kein passendes Ventil mehr dafür. Wenn er heim kommt, ist er wie eine geladene Bombe, ein Kelomat unter Hochdruck. Er ist nicht mehr im Stande, sich am richtigen Ort in einer passenden Weise abzureagieren.