Die Männer sind die Täter und die Frauen sind die Opfer. Beschreibt Geschlechterpolarität noch angemessen die komplexe Realität des Gewalthandelns? Sie tut es nicht.

Männer – die ewigen Gewalttäter?

Auf Basis der Daten der im Auftrag der evangelischen und katholischen Männerarbeit durchgeführten und im Jahr 2009 vorgelegten Männerstudie „Männer in Bewegung“ von Zulehner/Volz haben die deutschen Kollegen eine weitere Studie in Auftrag gegeben, die solchen Hypothesen der Frauen- und Männerforschung zum Zusammenhang von Geschlecht, Geschlechtsidentität und Gewalt nachgehen soll: Peter Döge: Männer – die ewigen Gewalttäter? Gewalt von und gegen Männer in Deutschland, Wiesbaden 2011 (VS Verlag)

 Peter Döge, der Autor der Studie, fasst die zentralen Ergebnisse folgendermaßen zusammen:

1.     Männer und Frauen sind zu gleichen Anteilen Täter und Opfer - sie unterscheiden sich jedoch in den ausgeübten Gewaltformen.

2.     Häusliche Gewalt ist keinesfalls Männergewalt, auch Frauen üben gegen den Partner physische Gewalt aus.

3.     Gewaltaktivitäten gehen durch alle Schichten, Milieus und Männertypen – die Gewaltformen variieren auch hier.

4.     Eine schwache männliche Identität scheint Gewalthandeln zu fördern.

5.     Junge Männer sind überdurchschnittlich gewaltaktiv – aber auch junge Frauen.

6.     Der Zusammenhang zwischen Einstellung - etwa zu Gewalt oder zum Feminismus - und Gewalthandeln ist bei Männern nicht eindeutig.

7.     Die subjektive Einschätzung der Lebenssituation und der Lebensbiografie als glücklich oder nicht glücklich haben einen sehr großen Einfluss auf Gewaltaktivität von Männern.

8.     Gewaltaktive Männer sehen sich selber zu einem großen Anteil als Atheisten.

 

Gewalt und Religion

Nachdem in den Ausgangsdaten von Zulehner/Volz auch das Verhältnis zur Kirche und die eigene Einschätzung in Bezug auf Religiosität abgefragt wurden, konnte der Studienautor Peter Döge auch das Verhältnis von Gewalthandeln und Religiosität untersuchen mit interessanten Ergebnissen:

„Der statistische Zusammenhang zwischen Gewalthandeln und religiöser Selbsteinschätzung ist bei den Männern signifikant und fast mittelstark ausgeprägt, wobei die Atheisten einen überdurchschnittlich hohen Anteil unter den Tätern bilden. Bei den Frauen existiert kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewalthandeln. ... Atheistische Männer neigen stärker zu sexualisierter Gewalt und weniger zu verbaler Gewalt als religiöse Männer.“ (Döge, S 153)

In den Ausgangsdaten von Zulehner/Volz wurde zwischen Religion und Kirchenorientierung unterschieden. Die Kirchlichkeit (Kirchenbesuche sowie die Einschätzung der Relevanz der Kirche) hat in Bezug auf das Gewalthandeln nur einen schwachen Einfluss. Der mittelstarke Zusammenhang (siehe oben) besteht in Bezug auf die eigene Religiosität. Interessant ist, dass dieser Zusammenhang bei Frauen nicht so stark ausgeprägt ist.

In Bezug auf die Zielpersonen von Gewalt gibt keine statistisch bedeutsamen Zusammenhänge. „Religiöse gewalttätige Männer scheinen dabei etwas stärker Gewalt gegen die Kinder zu richten, atheistische Männer gegen den Vater.“

Zumindest in Bezug auf die Männer widerlegt das Ergebnis die zeitgeistliche Plattitüde, dass Religion zu Gewalt führe. Bei den Frauen macht die Religiosität zumindest keinen Unterschied.

Dr. Markus Hofer