Der Seelensonntag, der Sonntag nach Allerheiligen, dient in unserer Tradition dem Gedenken an die Gefallenen der beiden Weltkriege. Das sog. Kriegergedenken ist ein Anlass, der Männer ganz besonders betrifft.

Wenige der ehemaligen Kameraden aus den Schützengräben werden heuer noch beim Kriegergedenken dabei sein. Die meisten von ihnen sind bereits verstorben. Doch auch wir Nachgeborenen sind von den beiden Weltkriegen mehr betroffen, als uns oft bewusst ist. Der Seelensonntag könnte ein Anlass sein, uns die Geschichte unserer männlichen Ahnen in Erinnerung zu rufen.

Millionen von Männern zogen in den ersten Weltkrieg und hinterließen Heerscharen vaterloser Kinder, von denen die Burschen bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im kriegstauglichen Mannesalter waren. Sie zogen in den Krieg, wurden wie ihre eigenen Väter getötet und hinterließen eine ungleich größere Anzahl von Kindern ohne Väter. Die heutige junge Vatergeneration ist eine, die vielfach Väter ohne Väter hat.

Hinzu kommen jene unzähligen Väter, die zwar heimgekehrt sind aus dem Krieg, aber ihre Sprache verloren haben, die Dinge erlebt haben, über die sie nie reden konnten, so ungeheuerlich waren sie. Es sind Männer, die aufgrund der Geschehnisse in ihren Seelen tief verwundet waren oder noch sind und die sich deshalb häufig sehr schwer taten, den eigenen Kindern gute und liebevolle Väter zu sein.

Dann sind da die vielen Opfer und Täter des grausamen Naziregimes, nicht nur Männer, aber viele von ihnen auf beiden Seiten. Wir Nachgeborenen dürfen nicht überheblich sein. Die Opfer wollen nicht, dass wir ihre Rolle übernehmen und die Täter nicht, dass wir ihr Schicksal tragen. Doch was können wir tun? Wenn wir etwas heilen können, dann am ehesten durch die Achtung vor den Toten, durch die Ehrfurcht vor ihrem Schicksal.