Bei Scheidungen zerbrechen die Beziehungen zwischen Mann und Frau. Vater und Mutter der gemeinsamen Kinder bleiben sie aber weiterhin. Genau das ist aber für den verletzten Elternteil nicht immer leicht.

Von Markus Hofer

Eine junge Mutter ist völlig verzweifelt. Nach ein paar Jahren glücklicher Ehe, hat sie ihr Mann aus blauem Himmel, wie sie sagt, verlassen. Er habe eine andere Frau kennen gelernt, mit der er nun das große Glück gefunden habe. Ob der Himmel wirklich so blau war, wie sie meinte, darüber lässt sich vermutlich diskutieren. Ihre Frage ist aber eine ganz andere. In einem Vortrag hat sie gehört, wie wichtig die Väter für die Kinder auch nach Scheidungen sind. „Nach allem, was er mir angetan hat“, meinte sie, „soll ich ihm nun noch die Kinder anvertrauen? Ich habe doch gar kein Vertrauen mehr in ihn!“


Zuerst einmal habe ich sehr viel Verständnis für diese junge Frau. Sie ist zutiefst verletzt, gekränkt und vor allem sehr enttäuscht von diesem Mann. Dass sie im Moment kein großes Vertrauen in ihn hat, ist verständlich. Dasselbe erfahren umgekehrt auch Männer. Kurz zuvor hatte mir ein Mann erzählt, wie seine Frau nach vielen Ehejahren plötzlich einen anderen Mann kennen gelernt habe, mit dem sie sich nun endlich selber verwirklichen wolle. Auch er verstand die Welt nicht mehr. „Und nun sollte ich auch noch darauf vertrauen, dass die Kinder bei ihr gut aufgehoben sind.“


Von beiden wird tatsächlich sehr viel verlangt. Sie sind vom jeweiligen Partner tief gedemütigt und gekränkt worden. Und nun müssen sie darauf Vertrauen, das der oder die ungeliebte Ex trotzdem zu den gemeinsamen Kindern ein guter Vater oder eine gute Mutter sein kann. Aber das können sie trotz allem, das sind zwei verschiedene paar Schuhe. Wer als Partner ‚versagt’, tut das nicht gleichzeitig auch als Elternteil.