Frauen schütteln nur den Kopf und Mütter versuchen es den kleinen Buben am liebsten abzugewöhnen: das stehend Pinkeln. Doch es scheint, dass das gerade für die jungen Männer eine nicht unwichtige Sache ist.

Von Markus Hofer

Auf einem Streifencartoon protestiert ein kleiner Junge lautstark: „Ich will wie Papa pinkeln!“ Mama, aus durchaus nachvollziehbaren Gründen, toleriert diesen Protest nicht und setzt den Jungen aufs WC, der dort noch mal widerspricht: „Wie Papa!“ Es nützt ihm nichts. Auf dem nächsten Bild ist er allein im WC, stellt sich in die Kloschüssel und pinkelt dort stehend – ein kreativer Kompromiss, mit dem er versucht wie Papa zu pinkeln und es gleichzeitig Mama recht zu machen. 


Der Hintergrund ist vermutlich gar nicht so lustig wie der Cartoon selbst. Für Frauen ist die Frage des Pinkelns eher lächerlich, für die heranwachsenden Jungs ist sie das nicht. Für sie ist das stehend Pinkeln in Abhebung von der Mutter eine Frage der Männlichkeit, der Orientierung an Papa oder anderen Männern. Die kleinen Buben merken schon sehr früh, dass die Mama eine Frau ist und sie nicht. So ist sie ihnen zwar sehr wichtig, aber gleichzeitig wissen sie, dass sie nicht werden dürfen wie Mama. Und da haben sie nun etwas, das kann Mama tatsächlich nicht. Stehend zu pinkeln ist für sie so etwas wie ein ritualisierter Vollzug ihrer Männlichkeit. Werden solche Dinge nur lächerlich gemacht und verständnislos unterbunden, droht tatsächlich eine Art Infantilisierung. 


Natürlich ist ab einem bestimmten Alter nicht mehr einsehbar, warum Männer das WC verspritzt hinterlassen. Diesbezüglich verstehe ich die Mütter vollends. Doch wie wir pinkeln, ist unsere Sache. Sitzpinkler kann man(n) wahrscheinlich erst werden, wenn man Stehpinkler war. Es gibt im Leben manchmal Wege, die kann man nicht einfach abkürzen.