Es gibt Scheidungen, die zwar vor dem Richter amtlich vollzogen wurden, aber innerlich haben sich die beiden nie wirklich voneinander gelöst. Unklare Verhältnisse gehen aber meistens auf Kosten anderer.

Von Markus Hofer

Willi ist seit einigen Jahren geschieden, aber wirklich gelöst, also auch innerlich getrennt von ihr hat er sich noch nie. Dabei ist die Trennung von der Frau ausgegangen, nicht von ihm. Wenn es im Winter Schnee zu räumen gilt, reicht ein Anruf und Willi tanzt an, genauso, wenn es Holz zu hacken gibt oder die Winterreifen zu wechseln. Seit ihr neuer Partner wieder gegangen ist, muss er auch noch zum Trösten kommen und zum Händchenhalten. Zu jeder Tages- und Nachtzeit kann es sein, dass sie Willi anruft, um sich bei ihm auszuweinen - und Willi spurt. Inzwischen wirkt er schon wie ein Hampelmann, bei dem sie nur an der Schnur ziehen muss und er macht Männchen.

Die Sache hat inzwischen noch andere Auswirkungen. Die bereits erwachsenen Kinder gehen immer mehr auf Distanz zu ihm, weil sie es nicht mit ansehen können, wie sich ihr Vater von der Ex-Frau und Mutter gängeln lässt. Nach der Scheidung hat er eine neue Partnerin gefunden, mit der er eine Zeit lang eine sehr schöne, unkomplizierte Beziehung hatte. Diese Phase ist aber schon eine Weile her. Inzwischen setzt sie ihm das Messer an, weil sie es so einfach nicht mehr aushält. Sie erwartet von ihm zu Recht eine klare Entscheidung und ist nicht bereit, weiterhin ihren Partner mit seiner Ex-Frau zu teilen.

Im Grunde weiß Willi, dass nur ein klarer Befreiungsschlag ihn retten kann, dass er sich endlich von seiner Ex auch innerlich völlig lösen muss und sich von der Vorstellung verabschieden, dass er es allen recht machen könne. Bekanntlich gilt: Wer nach allen Seiten offen ist, ist undicht!