„Gelungenes Scheitern“ ist eine Provokation, Scheitern, das zum Leben gehört und nach dem man wieder aufsteht. Diesmal erzählt Markus Hofer seine eigene Geschichte des Scheiterns.

Von Markus Hofer


Schon länger hatte ich das Gefühl, etwas für mich selber tun zu müssen und da kam das Angebot zum Pilgern auf dem Franziskusweg - genau mein Thema. Doch meine Geschichte des Pilgerns wurde zu einer Geschichte des Scheiterns. Die langen Etappen und die Höhenmeter haben mich überfordert und ich war auch viel zu untrainiert. Vermutlich dachte ich, beim Pilgern geht das von selber. Und dann kommt es eben – wie öfter im Leben - ganz anders, als der Mann denkt.


Spirituelle Momente hatte ich zu Beginn, doch der Rest bestand vor allem aus körperlichen Mühen, am Vormittag bei gutem Wetter noch relativ lustvoll, am Nachmittag nur noch hoffend, es bis zum Ziel zu schaffen, während die Beine brannten und der Rucksack immer schwerer wurde. Abends war ich nur noch mit seltsamen Verrenkungen zum Gehen fähig; dabei waren es gar keine Blasen.
Der Weg ist das Ziel - ich konnte es nicht mehr hören, denn das Ankommen war über Tage das einzige Ziel. Eigentlich hatte ich gehofft, mich leer laufen zu können, das eigene Denken loszulassen, zu schauen, was dann kommt, neugierig auf Neues. Meine Pilgerrealität war anders. Stundenlang habe ich mir vorgesagt: Nur nicht nachdenken, sonst wirst du verrückt. Nur gehen, nicht denken, nur gehen, nicht denken...
Auch die Ankunft in Assisi war alles andere als triumphal. Den Großteil der Etappe gingen wir in strömendem Regen. Der Held schlotterte nur noch in nassen Hosen bei kaltem Wind, als es zur letzten Unterkunft hinauf ging. Vieles kam so anders und wurde doch zu einer wichtigen Erfahrung. 


Es waren Grenzerfahrungen. Damit habe ich mich selber getröstet, als ich doch etwas enttäuscht und ernüchtert vom Pilgern wieder zuhause war. Eine Zeit lang war ich froh um diese körperlichen Grenzerfahrungen, obwohl mir die Füße immer noch weh taten und mir der spirituelle Sinn des Ganzen immer noch mit vielen Fragezeichen versehen war. 


Dann landete ich wegen meiner Füße in der Spitalsambulanz mit der Diagnose: Fersensporn, Schuheinlagen für den Rest meines Lebens. Frage an den Arzt: Dann wäre ich besser nicht pilgern gegangen? Antwort: Ja. Ich war wütend, auf mich selber und das Pilgern. Soviel hatte ich mir erwartet und stattdessen den eigenen Körper nachhaltig geschädigt. Diese Zeit war sicher nicht die lustigste in meinem Leben: enttäuscht und zornig, gleichzeitig verletzt und auch dünnhäutig, motivationslos und deprimiert. Arbeit und Alltag kosteten mich phasenweise ungekannte Mühen. Geglaubt hatte ich, dass ich voll getankt und innerlich wie äußerlich vor Kraft strotzend zurückkehre. Stattdessen das Gegenteil: Oft saß ich da, wartete und wusste nicht auf was.
Midlife-Krise in Kurzfassung? Vielleicht. Jedenfalls wurde es mir zur spirituellen Erfahrung: dass es ganz anders kommt, dass wir nicht alles machen oder planen können, dass es Phasen ohne Licht und Lösung gibt, die man auch nicht abkürzen kann. Vielleicht war es gerade das, was ich zu lernen hatte.


Übrigens war es auch kein Fersensporn, sondern eine jahrzehntelange Fehlstellung, die ich nun korrigieren kann, bevor die Folgen noch größer sind. Es bleibt mir also gar nichts anderes übrig, als auch noch dankbar zu sein!