Eines Nachts auf dem Feld hörten sie die Engel singen. So steht es zumindest im Weihnachtsevangelium. Hirte sollte man sein - denn wer hört heute noch Engel singen?

Von Markus Hofer

In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Felde und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Mehr wissen wir nicht über diese Männer vor 2000 Jahren. Dann trat der Engel des Herrn zu ihnen und sie machten in die Hose, worauf sie der Engel zuerst einmal beruhigen musste. Die Botschaft selber war stark: Euer Retter ist geboren. Und zum Abschluss hörten sie dann die Engel singen.


Und heute? Haben die Engel das Singen verlernt oder haben sie sich schon erfolglos heißer geschrien, weil wir sie nicht mehr hören? Einiges war bei diesen Männern damals doch anders. Hirten hatten Zeit. Sie saßen stundenlang bei ihren Herden oder blickten stehend, auf ihren Stecken gestützt, über das ganze Land. Die Rennerei überließen sie den Hunden. Sie hatten Zeit - keinen Stress, keine Angebereien, keine Karriere. Sie hatten Zeit zum Schauen, zum Hören und zum Nachdenken. Ist ihnen deshalb der Engel erschienen? Nein, da ist noch etwas, was sie von uns unterscheidet. Sie rechneten noch mit Engeln!


Und sie rechneten noch mit einem Retter. Sie konnten vertrauen in etwas, das über ihre eigene Kraft hinausging. Das Motto „Selbst ist der Mann!“ - oder hier besser: Selbst ist der Retter! - war ihnen fremd. Die meisten Männer heute rechnen nur noch mit sich selber, mit ihrer Leistung, ihrer eigenen Kraft, ihrem eigenen Glanz. Für was brauche ich einen Retter? Ich bin doch kein Weichei! Doch, wer sich nur auf sich selbst verlässt, ist von allem anderen verlassen. Solche Männer sind nicht mehr durchlässig für etwas Größeres. Und darum hören sie auch keine Engel mehr singen.