Vielerorts ist die Veränderung der Kirche ein Thema - und macht auch nicht Halt vor der Kirchentüre. Was aber, wenn Liturgie als "Quelle und Höhepunkt" in den Blick genommen und als zentrales Kernelement von Kirchenentwicklung ernst genommen wird? Muss sich durch Veränderungen in der Kirche nicht auch die Liturgie verändern? Oder verändert Liturgie das Bild der Kirche? Die diözesane Liturgietagung am 28. März 2020 geht diesen Fragen nach und nimmt das Potiental von Liturgie für Kirchenentwicklung unter die Lupe.

Wegmarken und Impulse für Kirchenentwicklung

Die Liturgietagung am 28. März 2020 will die enge Verbindung von den Feiern des Glaubens mit den Veränderungsprozessen von Kirche sichtbar machen. Wir nehmen dabei Bezug auf aktuelle Entwicklungsprozesse in unserer Diözese (Kirchenkurs, Neuland ...) und nehmen Liturgie als Motor für Kirchenentwicklung wahr.

voll Gott_06Welche inneren Bilder bestimmen unser Verständnis von Kirche? Wie entsprechen unsere Bilder von Liturgie und die Art, wie wir feiern, unseren Kirchenbildern?
Welchen Ort hat die Liturgie in den Veränderungsprozessen der Kirche, insbesondere dort, wo es um Kirchenerneuerung oder Kirchenentwicklung geht? Welches Potential hat sie dafür?
Wie können wir den Zusammenhang zwischen Gottesdienst und dem Dienst am Nächsten stärken? Wie verhält sich das Bezeugen unseres Glaubens im Alltag mit der Feier des Glaubens?
Was heißt das konkret? Welche Schritte sind schon jetzt in unserem Feiern möglich?

Frau Dr. Gunda Brüske, Co-Leiterin am Liturgischen Institut der deutschsprachigen Schweiz, arbeitet bei dieser Tagung ausgehend von verschiedenen Kirchenbildern an der Rolle und Bedeutung der Liturgie. Sie wird aus aktuellen Erneuerungsprozessen Beispiele von Gottesdiensten mitbringen, an denen das Potential der Liturgie für Kirchenenwicklung sichtbar werden kann. Ebenso werden wir in kleinen praktischen Erprobungen erste Erfahrungen mit auf den Weg geben.

Kirchenentwicklung durch Liturgie

An unserem Feiern zeigt sich, was für eine Kirche wir in Zukunft sein und leben werden - und umgekehrvoll Gott_03t können wir mit unserem Feiern Kirche mitgestalten. Es braucht offene Räume in denen spürbar wird, dass das gottesdienstliche Handeln und Leben eine Gemeinde verändern.
In vielen Bereichen betreten wir diesbezüglich "liturgisches Neuland". Ich denke da an die Leiterinnen und Leitern von Totenwachen, die in den letzten Jahren in unserer Diözese für diesen Dienst auf den Weg geschickt wurden. Ich denke da an Frauen und Männer, die sich für die Leitung von Wortgottesfeiern - und ganz aktuell für den Dienst der Leitung von Beerdigungen - ausbilden lassen. Sie vertreten nicht nur die fehlenden Priester, sie prägen in Zukunft die Formen des Gottesdienstes und tragen wesentlich dazu bei, dass sich die Gemeinde vor Ort zum Gebet versammelt.
Ich denke da auch an Kinder- und Familienliturgiekreise, die engagiert für und mit Kindern und Familien Gottesdienste gestalten und feiern. Oder an verschiedene Jugendgottesdienste (Zemm si, an Stoa hupfa lo ...) und an neue Gottesdienstformate (Richtungswechsel, StilleKlangRaum ...), in denen oft leer gewordene Rituale neu belebt und erschlossen werden.
Ebenso denke ich an Frauen und Männer, die als Lektor/innen das Wort Gottes verkünden oder als Kommunionhelfer/innen das Brot des Lebens reichen - und in vielen anderen kleinen, unsichtbaren Diensten Wesentliches für eine lebendige Liturgie und Kirche vor Ort beitragen.

Verwandlung

Schon seit längerem ziehen mich Bilder aus der Pfarrgemeinde Maria Geburt in Aschaffenburg. in den Bann. Im aufmerksamen Blick auf die Gottesdienste und ihre Formen und Gestaltung verändert und entwickelt sich die Gemeinde.
voll Gott_07Im neuen Buch "voll Gott" beschreiben verschiedene Personen diese Entwicklung und erzählen, was sie daran berührt und fasziniert. "Dieses ganz Neue setzte einen ungeheuren kreativen Prozess im Liturgiekreis und bei allen liturgischen Diensten frei", beschreibt Pfarrer Markus Krauth die Kraft und Energie der Neugestaltung der Pfarrkirche. "Nichts konnte mehr so bleiben wie in der 'alten' Kirche. Alle Rituale wurden geprüft und befragt. [...] Im Grunde wurde alles in Frage gestellt, um sich bewusst zu werden, was wir da eigentlich tun, wenn wir nur unseren alten Gewohnheiten folgen."
So hat die Neugestaltung des Kirchenraumes den schon im 2. Vatikanischen Konzil geforderten Paradigmenwechsel von einer singulären Klerikerliturgie hin zu einer gemeinschaftlichen Volks-Gottes-Liturgie vollzogen und erst ermöglicht. "So wird Liturgie nicht dem Namen nach, sondern durch wirkliches Erleben zur Feier des Lebens in einer Gemeinschaft, die den einzelnen erhebt, ihn zur Ruhe kommen lässt und ihn mit neuem Trauern und neuer Freude für den Alltag erfüllt." (vgl. "das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft.4/2019")

Liturgie wandelt - ich lasse mich verwandeln

Gerne schließe ich die Einladung zum Gespräch, zum Austausch und zum gemeinsamen Lernen mit Pfarrer Markus Krauth: "Der Mut zum Experiment wirkt und zahlt sich aus", ermutigt er uns alle. voll Gott_05
"Lange war ich mir nicht sicher, ob die zentrale Aussage der Konzilskonstitution: Liturgie sei Quelle und Höhepunkte einer christlichen Gemeinde, nicht viel zu idealistisch von den Konzilsvätern erträumt wurde. [...] Doch seit den letzten Jahren wird mir immer klarer, wie der Geist, der in unseren sonntäglichen Versammlungen weht, für uns nicht  nur spirituelle Quelle für unser Alltagschristsein ist. Wir erleben ihn oft auch als Höhepunkt unseres vielfältigen Gemeindelebens und des Wirkens darüber hinaus."

Liturgie verwandelt uns zuinnerst, wenn wir Gott im Wort, aber auch im Brot und Wein begegnen und daraus echte Communio erwächst, die in Freuden und Sorgen hindurch trägt und begleitet. Ich bin schon gespannt, welche Erfahrungen von Verwandlung Sie mitbringen und freue mich auf das Gespräch - sei es bei der Liturgietagung oder bei anderen Gelegenheiten. Ebenso freue ich mich auf Ihre gelungenen Beispiele und das gemeinsame Lernen daran.

Die Bilder stammen aus dem Buch "voll Gott" und wurden von Pfr. Marus Krauth zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür!