Im Pfarrverband Mittleres Montafon gibt es seit Kurzem die Totenwache in einer ganz neuen Form: Was vorher der Psalter oder Rosenkranz waren, ist jetzt ein auf die verstorbene Person und die Angehörigen abgestimmtes Gebet der Gemeinde, das von engagierten Frauen und Männern vorbereitet und geleitet wird. Anni Loos aus Schruns ist eine dieser neuen Totenwacheleiterinnen, die sich mit diesem „Liebesdienst am Menschen“ in den Pfarrverband einbringt. Im Interview erzählt sie von ihrer neuen Aufgabe.

Anni LoosAnni, du bist mit vielen anderen in diesen neuen Dienst der Gestaltung von Totenwachen eingestiegen. Was bedeutet die Totenwache für dich?
Für mich ist es ein Liebesdienst am Menschen, ein Dienst für die Trauernden und für die Trauerfamilie. Ich darf Beistand leisten in einer schwierigen Situation, ich kann Menschen Hilfe anbieten, die nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Ich hole sie dort ab, wo sie sind und begleite sie wohlwollend und wertschätzend durch die Zeit bis zur Beerdigung. Dieser Dienst ist für mich äußerst wertvoll, sinnvoll und wichtig, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung – für mich, für mein Leben und meine Lebensfragen.
 
Welche Herausforderung meinst du?
Früher wurden bei uns in Schruns die Totenwachen (genannt Psalter oder Rosenkranz) alle gleich gestaltet und die Verstorbenen am Anfang und  am Ende namentlich erwähnt. Die „Vorbeter“ waren immer Männer. Es gab keinen Gesang oder musikalische Gestaltung. Die Besucher von Totenwachen gingen meistens, wenn „man“ gehen muss – je nachdem wie nahe man dem/r Verstorbenen stand. Aber oft ging man widerwillig oder langweilte sich. Diese Art von Totenwache war längst überholt und kam bei den Menschen nicht mehr an. Ich spürte dieses Unbehagen der Menschen und ihr „Das sagt mir nichts“  deutlich. Und: ich wollte etwas ändern! Es war mir nicht egal, dass immer mehr Menschen mit Kirche, mehr noch: mit Jesu Botschaft nichts anfangen konnten. Und weil ich weiß, dass sich nichts ändert, wenn ich nicht zuerst bei mir selbst anfange, wagte ich es im März dieses Jahres zur Totenwacheschulung  zu gehen. Dann wusste ich: das ist es! Das spricht die Menschen an, das brauchen Menschen von heute! Und so kam es, dass wir kurze Zeit später die erste „neue“ Totenwache feierten. Drei Frauen! Es war Neuland für alle: für uns, für die Trauerfamilie und für die Totenwachebesucher. Aber es war ein Erfolg! Die verstorbene Person stand im Mittelpunkt der Feier. Es war sehr persönlich und würdevoll. Es wurde gesungen, viel gebetet, mit Symbolen der Verstorbenen gedacht. Eine neue Totenwachekultur hatte begonnen. Diese neue „Kultur“ wurde aber erst durch unseren sehr geschätzten Pfarrer Hans Tinkhauser ermöglicht und gefördert!

Was ist für dich bei diesem Dienst deine zentrale Aufgabe – und wie gehst du das an?
Mein Dienst beginnt im Angebot, die Trauerfamilie zu besuchen. Im Dasein für sie, im Gespräch mit den Angehörigen, im Hin- und Heraushören erfahre ich sehr viel über den/die Verstorbene/n. Meine Fragen und Notizen helfen mir später, die Totenwache im Sinne des/r Verstorbene/n und im Sinne der Angehörigen zusammenzustellen. Die Leute fühlen sich wertgeschätzt und ernst genommen.  Die Herausforderung für mich ist der große Zeitaufwand. Der Besuch dauert mindestens eine Stunde, die Zusammenstellung der Feier dauert 3-5 Stunden. Wenn wir es zu zweit im Team erarbeiten, geht es dann doch schneller.

Wie reagieren die Bewohner des Ortes auf diese Veränderung? Welche Rückmeldungen bekommt ihr von den Mitfeiernden?
Die neue Art der Totenwache wird von den Menschen sehr gut angenommen. Die Leute merken, dass sich etwas verändert hat, sind sehr überrascht und geben viele positive Rückmeldungen. Die Angehörigen sind ergriffen von der Art, die verstorbene Person zu würdigen. Die Gebete, Gesätzchen und Bibel-Texte sind auf die Person abgestimmt. Sie sind „begeistert“ von der musikalischen Gestaltung. Sie sprechen von einer wunderschönen, beseelten Feier.
Was mich/uns natürlich sehr freut, ist die Tatsache, dass überraschend viele Leute zu den Totenwachen kommen. In der Feier selber merken wir sehr gut, dass die Menschen hellhörig sind, staunen über das Neue, mitbeten und aufmerksam sind. Viele von ihnen, junge und ältere geben eine positive Resonanz. Auch die Angehörigen erzählen mir, nachdem die Beerdigung längst vorüber ist, dass sie nur positive Rückmeldungen über diese schöne Gestaltung der Totenwache bekamen. Das ist natürlich sehr erfreulich und stärkt mich/ uns in unserem Dienst.
Aber genauso wichtig ist es für die Trauerfamilie, dass sie in der schweren Zeit des Todes eines Angehörigen und ihrer Trauer eine besondere gute Erfahrung machen konnten – mit Laien, mit Mitmenschen, die aus ihrem Glauben heraus das tun, wozu jeder Getaufte aufgerufen ist: Glaube, Liebe, Hoffnung leben, vermehren und stärken. Das macht Sinn – das tut gut.
 
Was würdest du der Gesellschaft wünschen im Umgang mit den Themen Sterben, Tod und Trauer?
Bitte begeht nicht den großen Fehler und begrabt euren Angehörigen nicht einfach ohne das Ritual des Verabschiedens! Gebt euch und der Gemeinde die Möglichkeit, sich würdig vom Verstorbenen zu verabschieden. Geht den letzten Weg nicht alleine, sondern lasst die Gemeinde teilhaben! Es trägt, es stärkt, es hilft, es tröstet!
 
Das Gespräch führte Matthias Nägele