Die Familie: wunderbares Thema für ideologische Projektionen und Diskussionen. Ob linksideologisch atheistisch, ob bürgerlich, wertetraditionell oder pietistisch fundamentalistisch im lauteren Bild der Hl. Familie - alle finden sich wieder in der Familie. Alle finden sie Ideale, Werte, Fantasien. Und Sehnsüchte. In den Lebensentwürfen Jugendlicher kommt sie vor, die beständige, intakte Familie. Von 'heiler Familie' wagen nicht mehr viel zu reden, wenngleich dieser Ausdruck dennoch eine Sehnsucht ausdrückt.

Ingrid HolzmüllerVon Ingrid Holzmüller
Leiterin des Ehe- und Familienzentrums

Für andere ist die Patchworkfamily als alternative Lebensform eine neue Realität. Ihre Schwierigkeiten sind andere und für frühere Generationen seltsam ungewohnt, aber wer sagt, dass die Herausforderungen der Patchworkfamily schwieriger und weniger zu bewältigen sind, wie die in traditionellen Konzepten?


Sehnsuchtsklischees und heiles Familienleben

Gerade um die Feiertage oder auch nach der Urlaubszeit wird in den Medien oft betont, wie sehr psychosoziale Einrichtungen Hochsaison haben. Gerade dann, wenn die Sehnsuchtsklischees über heiles Familienleben auf allen Kanälen gespielt werden, geht es oft hoch her geht mit Streit und Konflikt. Wen wundert's.  Und wer dann nicht anders weiß, als die Familie für eine völlig überkommene Einrichtung zu halten und nicht anders als mit Spott und Ironie über Familie zu reden weiß, muss sich zumindest die Frage gefallen lassen, ob er oder sie nicht nur die Unversöhntheit mit der eigenen Familie zum Ausdruck bringt. Es ist aber auch nicht immer leicht, Frieden mit der Familie und in der Familie zu finden.

Ähnlich schwer wie mit dem Leben generell Frieden zu schließen. Denn hier findet es statt. Das Leben. Pur!In den Familien wird geliebt und vergeben, in den Familien wird Zärtlichkeit und Geborgenheit erfahren. Wenn Kinder mit Geschwistern aufwachsen, wird hier aber auch geeifert und konkurriert, geteilt und Rücksicht genommen ebenso wie betrogen und geübt, den andere zu übervorteilen. In den Familien wird geglaubt und gebetet, aber leider Gottes auch missbraucht und verletzt. Nicht nur biologisch, auch psychologisch und sozial stammt unser Leben aus der Familie. Und alle Dimensionen dessen, was Leben und Entwicklung ausmacht, finden wir hier. Charakterbildung und Liebesschule neben Auseinandersetzung und Zerwürfnis. Und es macht wohl das Leben aus, dass sich diese Aspekte nicht ausschließen.

Familie als Hort der Liebe und des Rückzugs?

Je mehr wir die globale Welt mit der uns überfordernden Komplexität an Problemen und unsere Arbeitswelt mit steigendem Leistungs- und Konkurrenzdruck erleben,  desto stärker wird die Familie zu dem Ort, der ganz anders sein soll. Und damit beginnt die Überforderung.  Wenn Familie nur noch Hort der Liebe und Rückzug in die Geborgenheit sein soll und all das bieten muss, was unserer Seele Not tut und was sie "draußen" nicht kriegt, dann wird sie mit Erwartungen überladen.
Die Familie reagierte schon immer als erstes auf die großen gesellschaftlichen Veränderungen. Und nein,  sie wird allen Unkenrufen zum Trotz  nicht untergehen, sie wird sich jedoch ändern und den Gegebenheiten und Bedürfnissen anpassen, in dem sie neue Formen und Strukturen hervorbringt. Genau das, was wir momentan erleben.  Denn Wandel sichert Überleben.


Welches Idealbild habe ich?


Jeder von uns hat sein persönliches Idealbild von Familie. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, aber es ist oft ein krampfhaftes Festhalten an inneren Bildern, Phantasien und Illusionen.  Wenn wir hinter diesem Ideal zurückbleiben,  hinterfragen wir, was mit uns nicht stimmt, vermuten, dass wir uns einfach nicht genügend anstrengen.  Kaum jemand kommt auf die Idee,  sein Ideal zu hinterfragen. Ideale lassen unser tatsächlich gelebtes Familien- und Beziehungsleben immer als mangelhaft und unbefriedigend erscheinen. Nur: Unsere inneren Idealbilder müssen sich nie in der rauen Alltagswirklichkeit bewähren. 100 % störungsfrei,   können sie immer unbefleckt bleiben. Und trotzdem  gelingt es ihnen, dass wir uns mit diesem Maßstab „So sollte es aber eigentlich sein“  ständig irgendwie schuldig und verkehrt fühlen. 

Es gibt keine Rezepte, wie das Leben in Beziehung, in Ehe und Familie gelingt. Jedes Paar, jede Familie muss für sich selbst aushandeln und entscheiden, welche Regeln und welcher Rahmen der jeweils geeignetste für Wachstum und Entwicklung  ist. Haben Sie den Mut dazu! Auf ausgetretenen Pfaden können Sie noch Staub aufwirbeln, aber keine Spuren hinterlassen.

 Termintipp in der "Woche für das Leben":
Wallfahrtsgottesdienst in Gwiggen