Seelsorge im Krankenhaus. U-topisch und strukturiert / Welchen Platz hat die Seelsorge im Gefüge eines Krankenhauses? Was ist die Rolle unserer Seelsorgerinnen und Seelsorger in der technisierten Welt der medizinischen Hochleistungsbetriebe? Ein Tagungsbericht

Gemeinsame Fortbildungstradition

 

Rund 30 KrankenhausseelsorgerInnen aus Vorarlberg, Tirol und Südtirol organisieren seit einigen Jahren gemeinsam jedes Jahr eine Fortbildung zu einem interessanten Thema. Vom 29. bis zum 31. Oktober 2012 waren SeelsorgerInn aus den Diözesen Innsbruck, Bozen-Brixen und Feldkirch im Bildungshaus St. Arbogast zu Gast, um sich über die spezifische Rolle der Seelsorge in den einzelnen Gesundheitsbetrieben zu unterhalten. "Seelsorge im Krankenhaus. U-topisch und strukturiert" lautete der Titel der Fortbildungsveranstaltung

Podiumsdiskussion und Vortrag
Am ersten Nachmittag standen inhaltliche Inputs auf dem Programm. Ein hochkarätig besetztes Podium diskutierte die Rolle der Seelsorge in den Vorarlberger Krankenhäusern: Chefarzt Primarius Dr. Guntram Winder vom KH Dornbirn, Mag. Franz Streit, Verwaltungsdirektor im LKH Bludenz, DGKP Artur Bertsch, Oberpfleger im LKH Rankweil und DGKS Helga Bickel, Stationsleiterin und Krankenschwester im LKH Feldkirch schilderten aus der Sicht der Institution Krankenhaus ihre Meinungen zum Thema. Dr. Walter Schmolly, Pastoralamtsleiter der Diözese Feldkirch, hielt im Anschluss einen Vortrag zu "Fragmenten einer Theologie der Struktur".

Seelsorge als "Geist aus der Wunderlampe"
"Auf Wunsch des Patienten muss eine seelsorgliche Begleitung zur Verfügung gestellt werden", zitierte Spitalsdirektor Streit aus Bludenz eine Passage aus dem Spitalsgesetz, zu dessen Erfüllung er sich in seiner Funktion verpflichtet sieht. Diese Begleitung, welche Frau Bickel als äußerst wertvoll und als Bereicherung in einem belastenden Umfeld einstufte, sei ihrer Meinung nach ein guter Ersatz für die fehlende psychologische Betreuung. "Manchmal", so Bickel, "könne man die Seelsorge fast mit dem 'Geist aus der Wunderlampe' vergleichen".

Beistand und Vertrauen statt Zauberei
Hat Seelsorge nun etwas mit einem Zaubergeist zu tun? Ist es Zauberei, was sich in der Begleitung eines Menschen oder in einer auf Latein vollzogenen Krankensalbung ereignet? Ist der Ort, den man in der öffentlichen Wahrnehmung einer Seelsorge zubilligt, wirklich so fern von aller Realität im Bereich des Unfassbaren und Übersinnlichen? "Seelsorge ist auch der Job des Arztes", beantwortet Primar Winder diese Frage und holt den Begriff unmissverständlich wieder ins Hier und Jetzt zurück.

Seelsorge hat nichts mit Zauberei zu tun, "sondern meint zunächst, den Menschen in ihrer spezifischen Situation beizustehen", versucht Walter Schmolly in seinem Vortrag zunächst eine Begriffbestimmung. Seelsorge zeigt sich weiters im Bemühen, eine Antwort auf die Sehnsucht des Menschen nach Heil zu geben. Seelsorge bietet nicht zuletzt auch das Evangelium Jesu Christi an und vertraut auf die Verlebendigung der Beziehung zwischen dem einzelnen Menschen und der Frohbotschaft gerade in Notsituationen.

Anwaltschaft für das Wirken Gottes im Leben
"Schließlich", so führt Dr. Schmolly weiter aus, "ist Seelsorge nur möglich gemeinsam mit dem 'alleinseelsorgenden Gott'". Dieser Terminus, den Karl Rahner in einer seiter frühen Schriften einführte, steht kraftvoll für die revolutionäre Theologie und Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums: Nicht wir als Kirche müssen Gott zu den Menschen bringen, sondern dieser Gott hat längst seine eigene Beziehung mit jedem einzelnen Menschen geknüpft. Aufgabe der Kirche und der Seelsorge ist es somit nicht, die Menschen an eine "alleinseligmachende" Kirche (im Sinne einer "societas perfecta") zu binden, die quasi den "Exklusivvertrag" mit Gott geschlossen hat, sondern "Zeichen und Werkzeug" zu sein für das Wirken Gottes in der Welt von heute. Seelsorgerinnen und Seelsorger haben somit die Aufgabe, Zeugen und Anwälte für diese Hoffnung zu sein. Sie beschwören keinen "Geist aus der Flasche" heraus, sondern bieten ein Deutungsangebot für das Wirken Gottes im Leben eines jeden Einzelnen.

Leere Kirchen und volle Krankenhäuser
Wie dringend nötig dieses Deutungsangebot und die Begleitung von Menschen in Notsituationen gerade im Kontext eines Krankenhauses ist, betonte Primar Winder mit einem flammenden Appell an die Anwesenden. "Die Kirchen sind leer und die Krankenhäuser sind voll - der Bedarf an Seelsorge ist gewaltig, da nahezu jeder Krankenhausaufenthalt eine Krise bedeutet", bringt es Dr. Winder auf den Punkt. Auf die Frage, wann Seelsorge als geglückt angesehen werden könne, antwortete Winder:

"Die Patienten sind irgendwann abends, nachdem der letzten Verwandte oder Freund gegangen ist, alleine in ihrem Bett. Geglückt ist Seelsorge dann, wenn der Mensch für diese Zeit etwas bekommen hat, das trägt."

 

Dr. Michael Willam
EthikCenter
Referat für Krankenhausseelsorge



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