Hildegard Burtscher arbeitet seit zwölf Jahren in der Krankenhausseelsorge. Anlässlich des Welttags der Kranken am 11. Februar spricht sie über bewegende Begegnungen, berührende Momente sowie Grenzen und Herausforderungen in ihrem Beruf.

Zufall, Schicksal oder glückliche Fügung, so oder ähnlich könnte man den Umstand beschreiben, dem es Hildegard Burtscher zu verdanken hat, dass sie heute als Krankenhausseelsorgerin im LKH Bludenz tätig sein darf. Den Terminus „dürfen“ verwendet die gelernte Diplomkrankenschwester in diesem Zusammenhang ganz bewusst, denn sie empfindet ihre Aufgabe als großes Geschenk. „Es ist nicht nur ein Geben. Man bekommt bei den Begegnungen mit den Kranken auch sehr viel zurück. In den nun schon zwölf Jahren in der Krankenhausseelsorge habe ich für mich sehr viel gelernt. Zu erkennen, welche Säulen mich tragen, hat mich meine Schwerpunkte im Leben ändern lassen“, gibt sie Einblick in ihre erfüllende Tätigkeit.

Stille zulassen

Dabei sind es nicht nur die PatientInnen, die die Krankenhausseelsorgerin konsultieren. Auch vom Personal werde das „Angebot“ gerne und oft in Anspruch genommen, erzählt sie. „Das Krankenhaus ist ein Mikrokosmos. Viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen treffen hier aufeinander“, erzählt sie. Die Corona-Krise nage zusätzlich am Personal. „Diese ständige Schwere, der man sich einfach nicht entziehen kann, stellt eine enorme zusätzliche Belastung dar“, beschreibt sie die aktuelle Lage und spricht dabei auch von ihrer Arbeit. „Da wir nur in ‚voller Montur‘ zu den PatientInnen gehen dürfen, leidet die Interaktion mit den Menschen. Mimik aber auch Haptik sind kaum bzw. nicht möglich.“ Dabei seien es oft nicht die großen Worte, sondern vielmehr kleine Gesten, wie ein freundliches Lächeln oder ein zärtlicher Händedruck, der die Kranken sich öffnen lässt. „Es gibt aber auch Momente, in denen einem schlicht und ergreifend die Worte fehlen. Da ist es dann ganz wichtig, die Stille zuzulassen.“

Zeit für Menschen

Einfühlsamkeit, Verständnis (für die jeweilige Lebenssituation der PatientInnen) und Vertrauen nennt Burtscher als wesentliche Kriterien in der Krankenhausseelsorge. „Es ist ganz entscheidend, jeden so anzunehmen, wie er ist, bzw. zu erkennen, wo der Mensch beheimatet ist“, sagt Burtscher und stellt klar: „Es geht nicht ums Missionieren. Entscheidend ist, für die Menschen Zeit zu haben. Das ist gerade heute etwas ganz Besonderes. Ob in Stille, im Gespräch, im Gebet oder mit einem bestimmten Ritual ist dabei nebensächlich“, ist sie überzeugt. „Mir ist es ein Anliegen, den Menschen die Hoffnung zu vermitteln, in einem größeren Ganzen aufgehoben zu sein und einen Weg ins Gute zu finden, denn das ist meine tiefste Überzeugung“, beschreibt die Seelsorgerin weiter.

Intensive Momente

Es sind sehr berührende Begegnungen und bewegende Momente, von denen die erfahrene Krankenhausseelsorgerin zu erzählen weiß. Als ein ganz besonderes Ritual empfindet Burtscher den Sterbesegen mit Angehörigen. „Dabei werden die Gedanken, Worte, Taten und Wege des Patienten gesegnet. So wird das gesamte Leben noch einmal gemeinsam zusammengefasst, was nicht nur für die Angehörigen immer sehr berührend ist“, sagt sie.

In den letzten Jahren nimmt Burtscher zunehmend eine Veränderung wahr. „Die Leute sind nicht mehr in einer religiösen Gewissheit“, gibt sie zu bedenken. Man könne aber auch außerhalb der religiösen Rituale etwas Gutes tun. „Kranken“, so Burtscher, „soll es auch erlaubt sein zu klagen. Und auch Gottesferne soll benannt werden dürfen.“ Das sei ganz wichtig, um auf lange Sicht Frieden schließen zu können.

Liebe als zentraler Punkt

Sie selbst legt bei ihrer Tätigkeit großen Wert darauf authentisch aufzutreten, auch wenn dies bedeute, selber an ihre Grenzen zu kommen. „Nur wenn wir berührt sind, können wir uns berühren lassen“, gibt sie in diesem Zusammenhang an. Die Kraft für ihre anspruchsvolle Arbeit findet Hildegard Burtscher im Glauben: „Im Glauben geht es um die Liebe. Ich glaube fest daran, dass wir irgendwann in warmherzige Hände fallen werden.“