Bach berührt. Musizierende und Zuhörende gleichermaßen. Davon erzählt Friedemann Wezel im KirchenBlatt-Interview.

Bild: Das Musikerehepaar Dietlind Mayer und Friedemann Wezel spielt erste und zweite Geige bei den kommenden Bachkantaten. Die Kantatenreihe wurde von Miriam Feuersinger und Thomas Platzgummer ins Leben gerufen. 

Patricia Begle

Herr Wezel, welche Bedeutung hat Bach für Sie?
Als ernsthafter Musiker, ob man nun gläubig ist oder nicht, kommt man an Bachs geistlicher Musik, seinen Kantaten und Oratorien einfach nicht vorbei. Als Pfarrerskind, das ich ja bin, ist dem natürlich erst recht so, denn diese Musik hat mich von Kindesbeinen an begleitet und eminent geprägt.

Was ist das Besondere an dieser Musik?
Was ich als so unendlich besonders dabei empfinde, ist die einzigartige Kunst, wie Bach diese Texte in Musik formatiert, wie eine verständliche musikalische Sprache daraus wird, die den Text dazu auf emotionaler Ebene noch interpretiert und den Hörer ganz ergreift und betroffen macht. Bach trifft  den inhaltlichen Gehalt seiner Werke so meisterhaft, dass allein seine Musik schon ausreichen könnte, um eine Reise nach innen ­anzutreten, die Sinne zu schärfen, ganz weich zu werden, ganz offen und ruhig, ganz kontemplativ vergeistigt. Man kann diese Musik einfach nicht spielen, singen oder hören, ohne danach verändert, vielleicht sogar ein besserer Mensch geworden zu sein, ich hoffe das zumindest…

Worum geht es in der Kantate „Vergnügte Ruh“ (BWV 170) und wie setzt Bach das Thema musikalisch um?
In dieser Kantate wird das ­diesseitige „Sündenhaus“ dem jenseitigen Leben bei Christus gegenübergestellt („Himmelszion“). Bach führt dabei aus der Seelenruhe des ersten ­Satzes hinweg ins Jammertal (Rezitativ). Die anschließende Arie ist gänzlich ohne Bass komponiert - der Boden unter den ­Füßen fehlt quasi! - dazu findet innigste seufzende Klage statt, dissonante Harmonik versinnbildlicht Schmerzen, das irdische Chaos eben. In der abschließenden Arie führt Bach wieder ganz zurück zum Jubel, der auf Christus gründet und zu ihm führt: Abkehr vom Irdischen, Vorfreude auf die Geborgenheit und ­Erlösung. Bach zeigt dies musikalisch durch eine tonleiterartige Aufwärtsbewegung, die genau hörbar dahin strebt - nach oben eben - wo nach Bachs Überzeugung christlicher Glaube hin ausgerichtet sein sollte.

Und wie ist das bei der zweiten Kantate des Konzertes, „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“ (BWV 84)?
Hier fehlt (wie bei BWV 170) ein Anfangschoral. Der nachdenkliche Beginn (Arie) erinnert stattdessen stark an einen 2. Satz ­eines Oboenkonzerts. So getragen und nachdenklich stellt man sich das „vergnügte Glück“ eigentlich nicht vor. Wie anders klingt die folgende Arie mit ­Solo-Violine und Solo Oboe: In tänzerischem Grundcharakter und durch lebendige Figurationen wird hier gezeigt, was ein „fröhlicher Geist, ein dankbares Herze“ ist, das „lobt und preist“. Ganz schlicht geht das Werk zu Ende mit einem Choral auf die Melodie von „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.

Welchen Platz finden Bachkantaten heute in Ihrem Leben?
Für mich gehört die Kantate ­natürlich zum Sonntag allgemein dazu, und auch bei unseren kleinen Kindern sind Bach-Kantaten und Oratorien seit der Schwangerschaftszeit wichtiger Bestandteil der Woche: Meine Frau Dietlind ist Mitglied im Ensemble von Philipp Herreweghe und bis kurz vor der Entbindung spielte sie mit ihm unzählige Bach-Kantaten. Kein Wunder, dass diese Musik prägend wirkte, denn auch heute noch kommen beide Kinder ganz schnell zur inneren Ruhe, sobald sie diese Musik hören!
Gemeinsames Proben findet bei uns zuhause meistens abends statt, manchmal auch erst nachts, wenn ansonsten wirkliche Ruhe im Haus ist, die Kinder schlafen und wir uns erschöpft auf unsere gemeinsame Arbeit besinnen können. Dies ist meist beglückend, bringt uns Energie zurück und auf eine andere gemeinsame Ebene, die zusätzlich verbindet.
Wir freuen uns auf Vorarlberg!

TERMIN

Solokantaten für Alt und Sopran
Vergnügte Ruh (BWV 170)
Ich bin vergnügt mit meinem Glücke (BWV 84)

Die Werke werden auf historischen Instrumenten und in historischer Aufführungspraxis gespielt. Mitwirkende: Miriam Feuersinger (Sopran), Margot Oitzinger (Alt), Saskia Fikentscher (Oboe), Friedemann Wezel (Violine), Dietlind Mayer (Violine), Florian Schulte (Viola), Thomas Platzgummer (Leitung und Violoncello), Armin Bereuter (Violone), Aki Noda (Orgel).

Sa 30. April,19.30 Uhr, Herz-Jesu-Kirche, Bregenz
So 1. Mai, 17 Uhr, Pfarrkirche Schwarzenberg
www.bachkantaten.at

(aus dem KirchenBlatt Nr. 16 vom 21. April 2016)