Bei der 22. Auflage des Philosophicums in Lech gab es heuer auch einen explizit theologischen Vormittag. Neben einer Islamwissenschaftlerin präsentierte der katholische Theologe Josef Imbach Höllen-Dar- und Höllen-Vorstellungen.

Dietmar Steinmair

Fahr zur Hölle
Das muss doch mit dem Teufel zugehen. Ich werde dir die Hölle heiß machen. Mal doch den Teufel nicht an die Wand. Infernalische Wortwendungen gibt es zuhauf, Höllendarstellungen in der christlichen Kunst übrigens noch weitaus zahlreicher. Der Schweizer Franziskaner Josef Imbach (Bild oben) führte am vergangenen Freitag beim Philosophicum in einem rhetorisch brillanten Vortrag in vielen Bildern und Zitaten durch die Geschichte der Hölle. Apropos Hölle und Konflikt: Imbach wurde 2002 von der Glaubenskongregation mit einem weltweiten Lehrverbot belegt, da er die Evangelien als bloß katechetische Texte sehe und Wunder leugne. Imbach protestierte damals öffentlich dagegen. Heute ist der mitteilungsfreudige Priester in der Erwachsenenbildung und in der Seelsorge tätig und unterrichtet an der Seniorenuniversität Luzern.

Die Höllenpredigt
Sehr oft stellten sich die Künstler die Hölle wie ein jenseitiges KZ vor - mit expliziten Darstellungen von grausigen Folterszenen, aber auch von sexuellen Perversionen. Hier sei nur auf die Bilder eines Hieronymus Bosch verwiesen, wobei es in dessen Bildern vorrangig um den moralischen Appell geht, dass ein verfehltes Leben eben in die Hölle führe. Apropos Moral: Imbach verwies darauf, dass die Hölle schon und leider immer ein äußerst beliebtes Thema für Prediger war. Bereits Tertullian beschrieb im 3. Jahrhundert die Notwendigkeit der Höllenpredigt, um die Christen zur Standhaftigkeit in der Verfolgung zu motivieren. Für eine Korrektur sorgte Thomas von Aquin ein Jahrtausend später: Die Freude der im Paradies Geretteten dürfe sich nicht auf die Qualen der in die Hölle Verworfenen beziehen, sondern nur auf Gott selbst. Über die Höllenprediger und Höllenmaler mokierte sich später auch Erasmus von Rotterdam, der sich wunderte, woher die Jenseitsexperten ein so detailliertes Wissen von den Vorgängen in der Hölle hätten. Den Missbrauch der Rede von der Hölle kann man aber durch die ganze Christentums-Geschichte verfolgen - über Luther und sein Ablehnen des Ablasshandels für Fegefeuer-Strafen bis hin zur Einschüchterungs-Pädagogik, mit der heutige Großeltern noch konfrontiert worden waren.

Die Quellen 
Auch wenn Imbach hin und wieder Kritik an der kirchlichen Dogmatik in der Frage nach der Hölle durchklingen ließ, stellt der streitbare Franziskaner in Lech unmissverständlich - und zu Recht! - klar, dass die Höllenpredigten letztlich keinen Anhalt in der Bibel haben. Jesus, so Imbach, habe recht nüchtern über die Hölle geredet. Einmal spricht er vom „Feuer der Hölle“ (ein Hinweis übrigens auf das vor Jerusalem liegende und auch für Jesus einschlägig bekannte Tal Hinnon, in dem in heidnischen Zeiten Menschen als Brandopfer dargebracht wurden), ein andermal von der „äußersten Finsternis, in der Heulen und Zähneknirschen“ sind. Wichtig sei nun, so Imbach, die Höllenreden Jesu als „prophetische Drohrede“ zu verstehen, eine literarische Textgattung, die an einigen Stellen der Bibel vorkommt. Sinn der prophetischen Drohrede ist nicht die Vorhersage einer jenseitigen Wirklichkeit, sondern der Weckruf, im Hier und Jetzt etwas zu ändern. Dem entspricht konsequenterweise auch, dass in der Bibel an keiner Stelle erwähnt wird, ob ein Mensch mit Sicherheit in der Hölle ist oder dazu verdammt wurde. Das hat die Kirche in ihrer langen Geschichte auch niemals gelehrt. Zu den Vorstellungen von der Hölle als physischem Ort gesellte sich immer mehr die Vorstellung, dass die Hölle vielmehr der Ort (oder Zustand) der Gottferne ist.

Die Hoffnung
Am Ende wurde der Vortrag von Imbach fast zur Predigt. Die Hölle sei weder reine Fiktion noch absolute Wirklichkeit: „Vielmehr handelt es sich um eine wirkliche Möglichkeit, mit der jeder und jede Einzelne lebenslang konfrontiert ist. Es besteht wirklich die Möglichkeit, dass ich mich Gott und den Mitmenschen auf eine Weise verweigere, sodass von mir nichts mehr bleibt als mein Egoismus. Gleichzeitig dürfen wir hoffen, dass kein Mensch je von dieser schrecklichen Möglichkeit Gebrauch macht. Denn der christliche Glaube beinhaltet wesentlich die Hoffnung auf Heil, und diese Hoffnung müsste stets größer sein als alle Angst vor der Hölle.“ Diese Hoffnung aber dürfe niemand für sich allein beanspruchen, schloss Imbach. Sie gelte allen, denn - so sagt das zweite Kapitel des Timotheusbriefes: „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden.“

Die Hölle im Islam
Nach Imbach sprach Christine Schirrmacher unter dem Titel „Herr! Bewahre uns vor der Strafe des Höllenfeuers!“ (Sure 2,201) über Gericht und Hölle in Koran, islamischer Theologie und Salafismus. Es gibt bezüglich der Hölle einige Parallelen zur jüdisch-christlichen Tradition, was nicht weiter verwundert, da die arabische Halbinsel vor dem Auftritt Mohammeds religiös von Juden und Christen geprägt war. Später, im 13. Jahrhundert, sprachen auch arabische Mystiker von der Hölle als Gottferne. Ebenso war auch im Islam die Höllenpredigt vielfach Erziehungsinstrument, nicht Tatsachenbeschreibung jenseitiger Zustände.
Im Gegensatz dazu aber redet und predigt  der heutige Salafismus mit Nachdruck von der  Schlechtigkeit der Menschen und vom Abfall von der ursprünglichen und reinen Form des Islams. Dieser Abfall führt für Salafisten mit Sicherheit in die Hölle, sollten Einzelne und Gesellschaft keine radikale - im westlich-demokratischen Verständnis vielmehr: fundamentalistische - Umkehr vollziehen. Von außen betrachtet sei es daher erstaunlich, sagte Schirrmacher mit Hinweis auf den so genannten „Islamischen Staat“, dass der Jihadismus vor der Hölle warnt, sie selbst aber real schon in dieser Welt geschaffen hat.

Gottferne?
Auch Publikum und Moderator durften die Theologen anschließend befragen. Etwas ironisch wollte Philosophicum-Macher Konrad Paul Liessmann vom Franziskaner Imbach wissen, worin denn überhaupt das Höllische der Gottferne bestehe. Imbach antwortete mit der Beschreibung einer Darstellung über dem Portal des Freiburger Münsters. Während die Geretteten sich einander zuwenden und kommunizieren, ist in der Hölle jeder für sich und verharrt sich selbst zugewandt. In der Theologiegeschichte nennt man das das „cor curvatus in seipsum“, das in sich gekrümmte Herz als Bild für Gottferne und Hölle schlechthin.
Aber auch persönliche Fragen tauchten aus dem Publikum in der Neuen Kirche von Lech auf: Wenn zwischen Menschen alles verziehen ist, ist das dann der Himmel, ist das Gott? Wo sind die Seelen nach dem Tod, vor einem allfälligen Jüngsten Gericht? Auf diese Fragen kann und können die Religion(en) Antwort geben. Aufgeklärte Theologie und fundierte religiöse Bildung sind heute mehr denn je notwendig, um heutige religiöse Phänomene in der Welt zu verstehen. Gut, dass dafür auch auf dem Philosophicum in Lech Platz war. 

www.philosophicum.com

(Artikel aus dem KirchenBlatt Nr. 39 vom 27. September 2018)