Rudolf Wäger gilt in der Architekturszene als wegweisend in Raumgestaltung und Konstruktion. Das Vorarlberger Architektur Institut würdigt den Pionier erstmals mit Ausstellung und Buch.

Wolfgang Ölz

Der renommierte Architekturkritiker Otto Kapfinger mit Wohnsitz in Wien sieht Wägers Anteil am weitum beachteten Phänomen der Vorarlberger Baukultur nach 1960 klar und eindeutig: „Er gilt als einer der Pioniere radikaler Einfachheit im regionalen Haus- und Siedlungsbau.“ Als besonderes Beispiel nennt Kapfinger Wägers legendäres Würfelhaus, „das im Nachhinein zur Ikone stilisierte Musterbeispiel für Rudolfs Fähigkeit, mit einem Minimum an Aufwand, an Material und Fläche ein Optimum an räumlicher und funktionaler Qualität zu schaffen“. Als der Architekturtheoretiker Friedrich Achleitner das innovative Bauen in Vorarlberg erschloss, begründete dieses Würfelhaus den Ruhm Rudolf Wägers, der weit über die Landesgrenzen Österreichs reichen sollte.

Die innovative Frühphase im Schaffen von Rudolf Wäger setzt deswegen auch mit genau diesem seinem Würfelhaus ein, das der Zimmerer aus Götzis eigenhändig als Minihaus für sich und seine Familie baute. Auch das Haus Gassner, das Wäger für den Doyen (Altmeister) der modernen Kunst in Vorarlberg, Franz Gassner, gebaut hat gilt in seiner Stringenz und Einfachheit als ein radikales Frühwerk, das die Bedürfnisse des Bauherrn optimal erfüllte. Stilbildend sind neben den Einfamilienhäusern auch die Wohnsiedlungen, die Wäger mit sogenannten Errichtungsgesellschaften baute. Ein frühes Beispiel ist da die „Siedlung Ruhwiese“ in Schlins, die vor allem durch ihren Gemeinschaftsgarten und den niedrigen Bodenverbrauch in Vorarlberg Baugeschichte schrieb.

In der Monographie erzählt Wäger seine eigene Geschichte auf knapp vier Seiten. Er gibt damit Einblick in seine Denkweise und auch in Glück und Unbillen des Lebens, die ihn zu einem bekannten Architekten in der Tradition der Vorarlberger Baukünstler werden ließen. Der große alte Mann der Vorarlberger Architekturszene, Roland Gnaiger, erinnert sich in seinem Essay, dass er den Namen Rudolf Wäger erstmals im Keller der Akademie für bildende Künste am Schillerplatz in Wien bei einer Vorlesung von Friedrich Achleitner hörte. Gnaiger, der sich als scharfzüngiger Architekturkritiker einen Namen gemacht hat, verspürt „eine tiefe Achtung vor Rudolf Wägers wegweisendem Werk“.

 

Interview

Sparsamkeit mit Boden und Budgets
Martina Pfeifer-Steiner hat gemeinsam mit Marina Hämmerle und Markus Gohm die Ausstellung zu Rudolf Wäger im Vorarlberger Architektur Institut gestaltet. Pfeifer-Steiner betont Qualität und Vorbildcharakter des Werkes von Wäger.

Wie unterscheiden sich die architektonischen Lösungen von Rudolf Wäger und der derzeitigen Architektur-Biennale in Venedig?
Martina Pfeifer-Steiner: Während Rudolf Wäger einen sehr handfesten Baustil vorantrieb, hat der österreichische Pavillon auf der Biennale alles in eine digitale Cloud verschoben.

Warum ist die Architektur von Rudolf Wäger so zukunftsweisend?
Pfeifer-Steiner: Rudolf Wäger gab den Menschen mit seinen Häusern das Lebensgefühl einer glücklichen Behausung. Gleichzeitig arbeitete er sehr sparsam, was den heutigen Trend zum leistbaren Wohnen vorwegnahm. Auch der Bodenbedarf wurde auf ein Minimum reduziert indem statt nur Einfamilienhäuser viele Wohnanlagen in Angriff genommen wurden.

Wie haben die Bauten des französischen Architekten Le Corbusier Wäger beeinflusst?
Pfeifer-Steiner: Das Lockere, Französische der Kirchenbauten hat ihm gefallen, aber auch die Minimierung von Wohnfläche bei Maximierung des Raumes beeindruckte ihn.

Martina Pfeifer-Steiner
Architekturkritikerin Martina Pfeifer-Steiner sieht das Werk von Wäger als zukunftsweisend. (Foto: KKV / Ölz)


Monographie: Rudolf Wäger. Baukünstler (1941-2019). Birkhäuser 2021. 320 Seiten.€ 49,95
Ausstellung: Rudolf Wäger. Ein Pionier, Di bis Fr 14 bis 17 Uhr, Do 14 bis 20 Uhr, Sa 11 bis 15 Uhr. Bis 4. September 2021, Vorarlberger Architektur Institut, Marktstr. 33, Dornbirn. T 05572 511 69, www.v-a-i.at

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 23 vom 10. Juni 2021)