Studien zum Thema „Alter“ gibt es viele, auch Bücher, Theaterstücke und Filme. Die Formation walktanztheater.com bringt die Fragen, die damit verbunden sind, nun als Tanzstück auf die Bühne. Und findet erstaunliche Antworten.

Patricia Begle

Sie werden einander nicht gegenübergestellt, die „Jungen“ und „Alten“, es wird nicht analysiert, welche körperlichen Veränderungen die Zeit mit sich bringt. Nein, in diesem Stück machen die fünf Frauen, was Tänzerinnen eben machen: sie tanzen. Hierin liegt der Ansatz der aus Vorarlberg stammenden Choreografin Renate Graziadei. Ausgangspunkt des künstlerischen Prozesses bildete das, was die einzelnen Frauen mitbringen. An Bewegungsmaterial, an Geschichte, an Besonderheit und Eigenheit. Aus diesem „Stoff“ formte die renommierte Choreografin und Tänzerin eine Performance, die beides sichtbar macht - das Individuelle und das Verbindende.

Woher?
Zwei große Fragen spannen den Bogen über das Stück. Die eine reicht in die Vergangenheit. Erinnerungen werden hervorgeholt. Als Gruppenfotos originell inszeniert, geht die eine in die andere über -  fließend, rasch, auch überraschend. Wie im echten Leben. Auch in Worte gekleidet treten sie auf im Stück: „Schulzeit. Zugfahrten. Lange Nächte. Liebesgeschichten.“ Was bleibt uns in Erinnerung? In welcher Weise? Was geschieht mit ihnen, wenn sie immer weiter zurückliegen?

Wohin?
Die zweite große Frage richtet sich in die Zukunft. „How many more times… - Wie viele Male noch…“ Weitergeführt wird der Satz mit unterschiedlichsten Sequenzen. „Wie viele Male noch werde ich meine Mutter sehen?“ steht dann im Raum. „Den Ozean?“ „Meine Knie?“ Bei jedem Wort tun sich neue Räume auf, Gedankensplitter, Bilder, Hoffnungen, Ängste. Dabei wird klar, dass diese Fragen jede und jeden betreffen, unabhängig vom Alter. Was sie auslösen, ist bei jeder und jedem anders.

Wahr-nehmen
Diese Unterschiedlichkeit im Zugang wird durch das Bühnenbild verstärkt. Die Bühnenbildnerin Alina Rosalie Amman spielt dabei mit Perspektiven und Texturen. Spiegelfolien und schlichte Objekte verändern die Wahrnehmung und bringen Kontraste zum Ausdruck. Weich und hart, eckig und rund. Die Linie wird zur Fläche, der Streifen zum Ring - je nach Standpunkt. Die Spiegelbilder schauen von der hinteren Wand verschwommen zurück. Erinnerungen? „Was ist wirklich?“ lautet die Frage, die unausgesprochen dahintersteht.

Ganz 
Brigitte Walk hat die Idee für das Stück geboren. Seit Langem steht sie wieder selbst als Tänzerin auf der Bühne. „Ich schreite durch die Zeit durch“, beschreibt sie ihre Erfahrung. „Alles Mögliche meiner eigenen Geschichte integriert sich.“ Im Körper ist alles gespeichert, von Kindheit an. Im Tanz nun wird dieses Ganze, alles was einen Menschen ausmacht, präsent. Zeit spielt dabei keine Rolle mehr, Zeitlosigkeit tritt an ihre Stelle. „Oft wird das, was früher war, weggedrängt, nur der alte Mensch wird gesehen, so als ob er nie irgendetwas anderes gewesen wäre“, erläutert Walk. „Aber wir hören als Menschen nie auf, wir reichen immer zu unseren Anfängen zurück. Das löst sich nicht in Luft auf. Das find ich irre.“

How many more times ...

Choreographie: Renate Graziadei
Dramaturgie: Arthur Stäldi
Tänzerinnen: Maartje Pasman, Brigitte Walk, Elisabeth Orlowsky, Natalie Fend, Simea Cavelti 

Premiere: Do 12. Oktober,
Altes Hallenbad, Feldkirch.
Aufführungen: 13./14./17./18./19./20./21. Oktober,
jeweils um 19.30 Uhr.

Tickets: v-ticket.at
www.walktanztheater.com