Aglaia Poscher-Mika über Enthaltsamkeit und zölibatäres Leben.

Die Fastenzeit hat begonnen. Ich darf gestehen, dass der Aschermittwoch immer eine gewisse Erleichterung in mir auslöst, da ich diese „stille“ Zeit der Selbstreflektion sehr schätze.
Enthaltsamkeit, Verzicht - was bedeutet das heute noch? Längst sind viele Menschen christlichen Glaubens davon abgekommen, sich tatsächlich im Hungern zu üben. Ob dieser Wandel auch im Islam stattfinden wird, wo der Verzicht auf Speise und Trank bei Tageslicht während des Fastenmonats Ramadan noch sehr eindeutig verstanden und praktiziert wird?

Eine Form der Enthaltsamkeit ist allerdings im Katholizismus zentral - mehr als in anderen Religionen. Woher nämlich kommt die Auflage des Zölibats, die einem Menschen eine hohe Disziplin abverlangt?  
Im Neuen Testament verlangen Aussagen Jesu, der ja selbst ehelos gelebt haben soll, dass ein Mensch seine Familie und all sein Hab und Gut verlassen soll, um ihm nachzufolgen. Diese Gründe veranlassten Papst Gregor VII. im 11. Jahrhundert dazu, den Zölibat zur Bedingung für Priester zu machen. Der Priester werde dadurch frei von familiären Pflichten, um für seine Gemeinde wie ein beschützender Vater, ja auch wie eine Mutter - die für die Ihren Geburtswehen leide - da zu sein. In anderen christlichen Konfessionen wird die Ehelosigkeit von Ordensleuten und Bischöfen verlangt. Die Lutherische Kirche lehnt diese Lebensform ab - die Ehe habe eine wichtige Ordnungsfunktion für alle Menschen, und niemand sollte sich über seine gottgewollte Natur stellen.

Andere Religionen kennen ebenfalls das Mönchstum, wie etwa der Buddhismus und Sufismus (die mystische Strömung des Islam). Das Judentum hingegen lehnt die Ehelosigkeit grundsätzlich ab: ein Rabbiner muss heiraten, um eine Gemeinde anvertraut zu bekommen. Im Hinduismus gibt es gewisse Phasen im Leben eines Mannes, in welcher er zölibatär leben soll, um die Erlösung aus dem Rad der Wiedergeburten zu erzielen.

Der Mensch wurde von Gott als Seele und Leib geschaffen - hierin eine gesunde Balance zu finden und verantwortlich damit umzugehen, ist nicht nur den religiösen Autoritäten, sondern jedem einzelnen Menschen auferlegt.

Aglaia Mika, SopranAglaia Poscher-Mika, MMA
Beauftragte der KatholischenKirche Vorarlberg
für den Interreligiösen Dialog;
Musiktherapeutin, Sängerin, Stimmbildnerin.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 10 vom 7. März 2019)