P. Martin Werlen, der neue Leiter der Propstei St. Gerold und mehrfacher Bestseller-Autor, will in seinem neuestem Werk „Raus aus dem Schneckenhaus! - Nur wer draußen ist, kann drinnen sein“ an alle Gläubigen appellieren. Der Glaube solle sich wieder auf die Menschen konzentrieren, nicht auf Vorschriften.

Jakob Lorenzi

Eine schwindende Anzahl an gläubigen Personen, wachsende Kirchenaustritte - was muss getan werden, um die Kirchenkrise zu überwinden? Martin Werlen, seit August neuer Propst von St. Gerold, hat seine Gedanken dazu in seinem neuen Buch erläutert, das er am Montag dieser Woche in Schaan (FL) präsentierte. Das Buch soll Gläubigen jeglicher Couleur helfen und der Kirche einen neuen Weg, fernab von Abschottung und Gleichgültigkeit, ermöglichen. Von Pharisäern - so wird auf dem Buchtitel gewarnt - sei die Lektüre aber mit Vorsicht zu genießen.

Pharisäer überwinden

Der Grundgedanke des neuen Werks ist nämlich jener, dass der Gläubige sich stetig mit dem Pharisäer bzw. Schriftgelehrten in sich auseinandersetzen und diesen überwinden müsse. „Die Auseinandersetzung mit den Pharisäern hilft uns, den Weg aus Sackgassen in Reformprozessen aufzuspüren und den Reformstau abzuarbeiten“, so P. Werlen, und weiter: „Sie lassen die Wichtigkeit der Synodalität der Kirche aufscheinen, das heißt: gemeinsam im Dialog auf dem Weg zu sein im Miteinander aller gottsuchenden Menschen.“ Kurz gesagt soll der Mensch wegkommen von festgefahrenen Prozessen und Ansichten und sich mit Gleichgesinnten zusammen einen Weg in die Zukunft suchen - quasi hinausgehen, um wieder ins Innere zu finden.

Gegen den Starrsinn

Als Quelle und Inspiration seiner Arbeit beruft sich P. Werlen dabei auf die Auseinandersetzungen Jesu mit Pharisäern im Neuen Testament. Diese Auseinandersetzungen seien auch ein schönes Beispiel, wie in der heutigen Zeit mit Pharisäern  umgegangen werden müsse. Schon Jesus habe sich damals - so der jüdische Religionswissenschaftler David Flusser - gegen den „Starrsinn der Stockfrommen“ gewandt. Ein Schritt hierzu ist laut Werlen bereits im Laufe der Corona-Krise gemacht worden. „Es genügte nicht mehr, schöne Worte zu machen. Es ging darum, Menschen in ihrer Not wahrzunehmen und ihnen zu helfen, in dieser Situation Gottes Gegenwart zu suchen“, heißt es im Buch. Corona sei auch jene Phase gewesen, am welcher die Kirche an vielen Orten das Schneckenhaus verlassen habe.

Geografischer Anfang

Den Grundgedanken - eine neue Kirche, die Offen für Neues ist - illustrierte P. Werlen auch gleich mit der Örtlichkeit der Buchpräsentation - dem Kloster St. Elisabeth in Schaan. Dieses stehe sinnbildlich für Liechtenstein, welches bis vor Kurzem weder von seiner alten Heimat - Einsiedeln - noch von seiner neuen Heimat - St. Gerold - als Einzugsgebiet wahrgenommen worden war, obwohl sehr viele Menschen aus Liechtenstein regelmäßige Besucher in beiden Institutionen sind. Dem wurde nun als kleiner Tropfen auf dem heißen Stein Abhilfe geschaffen und somit die Kirche ein kleines Stück weit geöffnet.

Gender

Auch im kritischen Gespräch mit Chantal Götz, Geschäftsführerin der Fidel-Götz-Stiftung und Managing Director von „Voices of Faith“, welches im Rahmen der Präsentation geführt wurde, konnte P. Werlen Ansatzpunkte für eine offene Kirche einbauen. So müssen zum Beispiel Räume geschaffen werden, in welchen auf Grundlage des Evangeliums miteinander diskutiert werden könne. In dem Diskurs ging P. Werlen auch auf die Sozialenzyklika von Papst Franziskus - „Fratelli tutti“ - und die gendergerechte Sprache ein, die zwar im Titel fehle, im Werk aber durchwegs eingebaut sei. Was auch gut sei, denn: „Wenn ich so spreche und schreibe, als ob es nur Männer gibt und die andere Hälfte der Menschheit nicht erwähne, verachte ich diese.“

Das Buch schließt mit einem Appell an den Widerstand gegen die Pharisäer. Dies betreffe alle anderen Glaubensgemeinschaften sowie Atheisten. Man solle nicht in Schablonen und Gesetzen denken, sondern in Menschen.

Hör-Mahl: Exklusive Buchpräsentation des neuen Buchs von Pater Martin Werlen. Propstei St. Gerold. Sa, 17. Oktober 2020, Do, 19. November 2020, 17.30 Uhr Beginnmit einer Buchvorstellung und Lesung in der Propstei-Kirche, 18.30 Uhr Abendmenü im Restaurant der Propstei, 20.00 Uhr Austausch und Diskussion, Anmeldung unter, T 05550 2121, Preis: € 30,-

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 42 vom 15. Oktober 2020)