Am 11. Februar ist Welttag der Kranken. Anstatt über Menschen zu reden, die ihr Leben mit einer Krankheit leben, sprechen wir lieber mit ihnen – zum Beispiel mit Thomas Breuer.

Krankheit, das ist etwas für später. Krankheit, das betrifft mich nicht. Bis man dann eben doch – manchmal plötzlich, manchmal schleichend und langsam – betroffen ist. Wie hat sich die Krankheit in Ihr Leben gedrängt?
Thomas Breuer: Mit 43 Jahren, das war im Jahr 2010, hatte ich ein akutes Aortenaneurysma. Es wurde in einer langwierigen Notoperation repariert. Sieben Jahre später wurde die gesamte Aorta bis in die Beine hinunter ausgetauscht. Seitdem sind meine beiden Beine vollständig gelähmt. Außerdem bin ich seit ein paar Jahren Dialysepatient. Auch in meiner Krankheit bin ich berufstätig. Ich halte meine Vorlesungen jetzt über Video-Software.

Wie fühlt es sich an, sich bewusst zu werden, dass Gesundheit etwas Zerbrechliches ist?
Breuer: Theoretisch war mir das immer klar. Deswegen war es auch kein großer emotionaler Einschnitt, als das eingetreten ist.

Thomas BreuerKrankheit hat ein Stück weit auch mit Ohnmacht zu tun. Kann man aus dieser Erfahrung wieder handlungsmächtig werden und wenn ja, wie? Was war dabei für Sie wichtig?
Breuer: Jetzt brauche ich auch für die kleinste körperliche Tätigkeit Hilfe von meinen 24-Stunden Pflegern, oder vom professionellen Pflegepersonal und ärztlichen Personal in den Krankenhäusern. Ihnen allen bin ich sehr dankbar. So bin ich übergegangen vom aktiven Leben in ein kontemplatives Leben. Beides hat seinen Reiz.

Was nimmt Krankheit? Was gibt sie?
Breuer: Die Krankheit nimmt mir körperlichen Bewegungsspielraum. Meine Kreise sind jetzt kleiner. An meinem neuen Standort erschließen sich mir neue Einblicke. Anstatt zu gestalten, beobachte ich jetzt mehr, höre zu, versuche zu verstehen und zu helfen.

Wie geht Ihr Umfeld damit um?
Breuer: Ich bin meiner Familie, meinen Freunden und meinem Arbeitgeber, der FH Vorarlberg, sehr dankbar für ihre Flexibilität und Treue. Bisweilen bin ich deprimiert und grantig. Ich danke den Menschen in meiner Nähe für ihre Geduld in solchen Phasen.

Was macht Sie glücklich?
Breuer: Die Zeit mit meiner Familie macht mich glücklich. Das ist jetzt allerdings etwas seltener, weil die Kinder ihren Weg in alle Himmelsrichtungen gehen. Aber wenn sie hier sind, oder wenn wir telefonieren, ist die Freude umso intensiver. Und meine Eltern besuchen mich jeden Tag. Es macht mich auch glücklich, wenn ich ein Stück Arbeit geschafft habe.

Hat Ihnen je ein Ratschlag geholfen?
Breuer: Ich erinnere mich nicht, dass mir jemand in meiner Krankheit irgendwelche Ratschläge gegeben hätte.

Haben Sie Verständnis für Menschen, die mit ihrer oder der Krankheit anderer nicht klar kommen, damit nicht umgehen können?
Breuer: Ja, natürlich.

Wie wichtig ist es, über Krankheit auch zu sprechen?
Breuer: Ich weiß es nicht. Ich spreche einfach darüber. Ob das wichtig ist, kann ich nicht beurteilen. Ich bin weder Arzt, noch Psychotherapeut oder Seelsorger.