Geheimnisse haben es so an sich, dass sie immer wieder einen Weg an die Oberfläche finden. Manchmal auch erst Generationen später. Mit „Die Unverheiratete“ macht man sich am Landestheater auf die Spurensuche nach Schuld und vielleicht auch nach Sühne.

Veronika Fehle

„Was ich für eine bin, schreit er. Ich weiß es nicht, sage ich. Aber wer A sagt, der muss auch B sagen. B wie Baum“, und dann geht das Licht aus - im Saal und auch vor den Augen Ulrikes. Und irgendwie sind diese Dunkelheit und das Eingeständnis, dass man über seine Geschichte und sich, als die Summe der Generationen, die vorher waren, nichts weiß, auch die Lösung des Ganzen. Es geht in Ewald Palmetshofers Stück „Die Unverheiratete“ nämlich genau darum: um drei Generationen von Frauen - Großmutter, Mutter und Tochter - und um ein Geheimnis, um eine Schuld, die immer wieder aufspringt, bis sie benannt und damit beglichen wird. Die Großmutter, Maria, hat nur wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen jungen Soldaten zur Anzeige gebracht. Er hatte sich, nach ihren Angaben, mit dem Gedanken gespielt, zu desertieren. Der Junge wurde hingerichtet - an einen Baum gebunden und erschossen. Maria hingegen wurde erst nach Kriegsende der Prozess gemacht. Fünf Jahre Gefangenenhaus und ein Leben im Verschweigen waren der Preis ihres Verrats, der die Beziehung zu ihrer Tochter erkalten ließ und der auch ihre Enkelin einholt.

Erinnere dich!
Verfolgt werden die drei Frauen von einem weiteren Damen-Quartett (Sarah Zaharanski, Bo-Phyllis Strube, Nathalie Thiede, Loretta Pflaum). In ihnen nehmen die Erinnyen, also die Rachegöttinnen, Gestalt an. Sie sind erst ruhig, wenn die Schuld der Vergangenheit beglichen ist. Und sie zwingen Großmutter, Mutter und Tochter immer wieder dazu, sich zu erinnern: an den Baum, an dem der Junge starb, an die Aussage vor Gericht, an die Zeit im Gefängnis. Diese offenen Rechnungen aber zahlt jede der drei Damen auf ihre Art. Maria (Babett Arens) erhängt sich in ihrem selbst gestrickten Netz - ein schönes (Sprach)Bild - ihre Tochter (Lilly Prohaska) schweigt und bleibt kühl, während die Enkelin Ulrike (Mara Widmann) an den Wurzeln ihrer Identität zu sägen beginnt. „Die Unverheiratete“ ist ein kunstvolles Stück moderner Dramatik, das von der fabelhaften schauspielerischen Leistung lebt. Philip Jenkins führt dabei eine kluge und messerscharfe Regie - und was am Ende bleibt, ist das Wissen, dass die Sprache der Wahrheit oft das Ungesagte bleibt.  

Podiumsgespräch

Am 20. März findet nach der Vorstellung ein Podiumsgespräch mit Prof. Dr. Helga Kohler-Spiegel (Religionspädagogin und Psychotherapeutin) und Dr. Renate Huber (Kulturwissenschaftlerin) statt. 

ZUM STÜCK

Ewald Palmetshofers „Die Unverheiratete“ wurde 2015 mit dem Mühlheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet. Palmetshofer spürt dabei einem realen Denunziationsfall nach, der sich in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in Österreich ereignete. Uraufgeführt wurde „Die Unverheiratete“ 2014 im Wiener Akademietheater. Die Kritik lobte dabei besonders die scharfe Zeichnung der Charaktere.
„Die Unverheiratete ist im Vorarlberger Landestheater noch bis 18. April, jeweils 19.30 Uhr, zu sehen: www.landestheater.org