Kurz vor dem Wahlkampf-Finale lud das EthikCenter der Katholischen Kirche Vorarlberg mit seinen Mitveranstalter/innen am Montag dieser Woche zum Stammtisch nach Dornbirn. Trotz mancher Ermüdungserscheinungen am Podium und im Publikum dominierte die sachliche Diskussion.

Dietmar Steinmair

Der überschaubare Besucherandrang beim ersten Stammtisch im neuen Arbeitsjahr konnte der Qualität der gut vorbereiteten und straff durchgeführten Veranstaltung keinen Abbruch tun. Von den im Parlament vertretenen Parteien - ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, BZÖ und Team Stronach - waren jeweils die Spitzenkandidaten oder namhafte Vertreter entsandt worden. Von den Kleinparteien waren „Die Christen“ (CPÖ) sowie die KPÖ mit Kandidaten und Wortmeldungen präsent. Die anderen wahlwerbenden Gruppierungen - darunter auch die NEOS - hatten offenbar kein Interesse an dem Abend.

Gesprächskultur

EthikCenter-Leiter Michael Willam und Moderatorin Petra Steinmair-Pösel legten den Kandidaten - es war übrigens keine Frau darunter - einen umfangreichen Fragenkatalog vor. Die Antworten waren über weite Strecken überraschend sachlich und prägnant. Parteipolitische Ablenkungsmanöver anhand der medial auf Bundesebene dominierenden Reizthemen - vor allem die Korruptionsvorwürfe rund um den Telekom-Prozess, aber auch die Notverstaatlichung der Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Bank - blieben fast vollständig aus. Emotional wurde es erst in der Publikumsrunde. Etwa beim Thema „Vermögenssteuer“, bei dem die Vertreter von ÖVP und SPÖ aneinander gerieten. Oder als die Oppositionsvertreter unisono die Mandatare der Regierungsparteien für den konstatierten Stillstand verantwortlich machten.

Religion und Gesellschaft
Aus der Perspektive der kirchlichen Organisationen gab es Fragen zu stellen, die im Wahlkampf und in den Leitmedien wenig Aufmerksamkeit bekommen hatten. Beim Thema „Religion(en) und Gesellschaft“ gab es keinen Kandidaten, der das kirchliche Engagement für die Allgemeinheit oder gar das Konkordat zwischen Österreich und dem Vatikan in Frage stellen wollten. Einzig BZÖ-Kandidat Manfred ließ mit der Aussage aufhorchen, dass die Caritas in den Asylverfahren eine problematische Rolle und den Schleppelbanden letztlich in die Hände spiele: „Die Caritas bezahlt Anwälte, die die Verfahren durch Einsprüche endlos in die Länge ziehen.“
Grünen-Vertreter Harald Walser, der von einer „Unverschämtheit“ Dorns sprach und Kardinal Schönborn für seinen Einsatz für die Votivkirchen-Flüchtlinge dankte, verwahrte sich dagegen, die „Caritas in Verbindung zu kriminellen Schlepperorganisationen“ zu bringen. Auch Norbert Sieber (ÖVP) und Christoph Hagen (Team Stronach) widersprachen heftig.

Lebensschutz
Die im Rahmen der 1975 eingeführten „Fristenregelung“, vom damaligen Bundeskanzler Kreisky versprochenen „flankierenden Maßnahmen“ sind ein kirchlich immer wieder eingefordertes Thema. Alle Vertreter am Podium sprachen bezüglich Abtreibung von einem bleibenden Problem, kein Vertreter stellte die Fristenregelung aber grundsätzlich in Frage. Sieber sprach bei den flankierenden Maßnahmen von einer säumigen Politik und forderte eine verpflichtende Beratung vor der Ermöglichung einer Abtreibung. Bernhard Themessl (FPÖ) bemängelte, ebenso wie Walser, die fehlende Bestandsaufnahme  in Österreich, erst aufgrund derer man über weitere Maßnahmen diskutieren könne. Dorn sprach sich für eine „maximale Unterstützung“ schwangerer Frauen aus, damit sie das Kind zur Welt bringen und dann zur Adoption freigeben könnten.
Werner Harder von der CPÖ und Pfr.i.R. August Hinteregger konstatierten im Publikumsgespräch später, dass eine Abtreibung immer die Tötung von ungeborenem Leben bleibe.

Beruf und Familie
Angesprochen auf die Vereinbarkeit  von Erwerbs- und Familienarbeit offenbarten die Kandidaten ihre weltanschaulichen - und zu erwartenden - Hintergründe. In der Frage „Kinderbetreuung in Horten oder zu Hause“ versuchte Elmar Mayer (SPÖ) eine Brücke zum Regierungspartner ÖVP zu bauen. Zudem wolle er sich für eine Erweiterung des Angebotes an pädagogisch qualifizierter Kinderbetreuung einsetzen. Norbert Sieber sprach vom Schwinden der klassischen Familie „Vater-Mutter-Kind(er)“ und davon, dass der Staat bei der hohen Scheidungsrate vielleicht nicht alle Bedürfnisse erfüllen könne. Themessl forderte ein echte Wahlfreiheit für Mütter, während Hagen sich dafür aussprach, die Betreuungszeiten für jedes Kind gesondert für die Pension anzurechnen und Familien gemeinsam zu besteuern. Walser kritisierte den ÖVP-Vorschlag einen Steuerfreibetrages von 7.000 Euro pro Kind, da dadurch vor allem die Besserverdiener profitieren würden, nicht aber die Wenigverdiener. Dorn präsentierte die BZÖ-Forderung nach einem noch höheren Freibeitrag.

Bildung und Ökologie
In der Schuldebatte präsentierten die Kandidaten Neues: Hagen sprach sich dafür aus, dass anstelle der Landesschulräte die Eltern die Direktoren bestimmen sollten. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Bundes- und Landes-ÖVP zum Thema „Gesamtschule“ kamen überraschenderweise nicht zur Sprache. Dagegen lobte SPÖ-Kandidat Mayer das Modell der katholischen Privatschulen, die bereits jetzt schon vorbildlich als Ganztagsschulen geführt würden.
Beim Thema Entwicklungszusammenarbeit  (EZA) konstatierten alle Podiumsteilnehmer, dass die im Jahr 2012 aufgewendeten 0,28 Prozent des BIP (anstatt der versprochenen 0,7 %) eine Schande seien. Die Schuld daran gaben alle dem Faktum, dass die EZA-Bemühungen Österreichs auf gleich sieben Ministerien verteilt und daher unkoordiniert wären. Herbert Nussbaumer von der KMB forderte im Anschluss, dass die Regierung das im Budget vorgesehene Geld besser den fachlich kompetenten und bestens vernetzten Nicht-Regierungs-Organisationen zur Durchführung nachhaltiger Projekte anvertrauen sollte. Sieber nannte die 0,28 % „beschämend“ und wünschte sich stattdessen 1 % des BIP. Walser sprach von einer „nicht nur moralischen, sondern auch vernünftigen Verpflichtung“ Österreichs, sich hier mehr anzustrengen. Einzig Themessl zeigte sich skeptisch, dass das kleine Österreich global etwas verändern könnte. Man müsse die großen Nationen zum Umdenken bewegen, und dürfe daneben die 1,4 Mio. armen oder armutsgefährdeten Österreicher/innen auf keinen Fall vergessen.

Den gesamten Gesellschaftspolitischen Stammtisch können Sie im Internet auf YouTube nachsehen bzw. -hören. Den Link dazu finden sie unter www.ethikcenter.at

(aus KirchenBlatt Nr. 39 vom 26. September 2013)