Ein kulturelles Kleinod am Bodenseeufer, in Lindau-Bad Schachen gelegen, sind die „friedens räume“ in der Villa Lindenhof. Diese ist umgeben von einer englischen Gartenanlage aus dem 19. Jahrhundert, hat freien Zugang zum Seeufer, und unerhört schöne, alte Bäume spenden an heißen Sommertagen wunderbaren Schatten.

Walter L. Buder

Allein dieser Szenerie wegen lohnt es sich per pedes, Drahtesel, Schiff, Bus oder Bahn aufzubrechen. Im Ostflügel der Villa befindet sich seit 1980 ein Friedensmuseum in der Trägerschaft von Pax Christi Augsburg, das 2001 von der österreichischen Künstlerin Ruth Gschwentner-Wölfle als „friedens räume - museum in bewegung“ völlig neu konzipiert worden ist. Da wird kein „Frieden in Vitrinen“ ausgestellt, sondern die aktive und aktivierende, sinnliche und sinnenhafte, personenbezogene Einbeziehung hat Priorität. Diesem friedenspädagogischen, emphatie- und dialogorientierten Ansatz entsprach bereits damals der von der Musikwissenschaftlerin Dr. Mirijam Streibl (Münster) gestaltete „Hörraum“ - einer von sieben interaktiven Transferplattformen. Seit Anfang Juni verschaffen die sieben Hör-Stationen - inhaltlich wie formal aktualisiert und neu gestaltet - dem Frieden in seiner unerschöpflichen Vielgestaltigkeit im wahrsten Sinn des Wortes Gehör.

Rhythmus des Friedens.

Geschichten, Lieder, Klänge, Töne, Stimmen, Worte, Gedichte und Songs, die vom respektvollen Umgang miteinander und mit der Schöpfung erzählen. Von der „Flötenparabel“ (Amartya Sen), dem „Loblied auf die Schöpfung“ (Ernesto Cardenal), der Frage nach Grenzen (Dota Kehr) und Brechts Erfahrung, was ein Mensch ohne Pass wert ist bis hin zu John Lennons „Imagine“, Mercedes Sosa’s „Dank an das Leben“ oder schönen, fremden Melodien wie „Baba Yetu“ (Vaterunser) und hebräische Sehnsuchtslieder. Rockige Protestsongs (Aviv Geffen) und Anti-Kriegs-Balladen und Greta Thunbergs „Wake Up“ verhelfen, übers Ohr das Gespür und Gehör für den Herzschlag, den Rhythmus der friedlichen Welt wahrzunehmen. Zehn Peace-Songs und -Stories sind speziell für Youngsters eingebaut. 

Wem leihe ich mein Ohr?

Frieden ist dem anderen ein Weg und den einen eine Haltung, für viele ein Lied, ein Gesang, ein Klang - etwas also, das mit dem Hören, mit dem Sinnesorgan ganz direkt zu tun hat. Wie der Krieg, verschafft sich auch der Frieden Gehör und will Gehör finden und ob man dem einen oder anderen Gehör schenkt, ist immer eine Entscheidung. Doch jede/r ist sich im Klaren darüber, dass „es gilt, immer wieder aufs Neue - auch für und in sich selbst - zu suchen, zu finden und je aufs Neue auszuloten“, wem oder was ich mein Ohr leihe.

Greifbar und sinnlich.

So durchschreitet man die „friedens räume“ wie ineinander verwobene Sinn-Welten, in denen man dem Frieden zugetane Grundeinstellungen für sich oder gemeinsam erkunden und in frei gewählter Intensität begegnen kann. Achtsamkeit, Respekt, Courage, Gewaltfreiheit, Dialogbereitschaft, Achtung der Menschen- und Völkerrechte sind zum Mit-Denken, Mit-Tun, aktivierend, greif- und spürbar aufbereitet.

Die Suche nach dem Gleichgewicht.

Glaubt man dem französischen Arzt und Spezialisten Alfred A. Tomatis, hat das Ohr eine Sonderstellung unter den Sinnesorganen. Verbunden mit dem Gleichgewichtsapparat, habe es auch etwas mit dem aufrechten Gang des Menschen zu tun und mit seiner psychischen Energie. Das spricht für die Einladung von Cornelia Speth, Koordinatorin der „friedens räume“: „Ich lade alle Vorarlberger/innen, die der Friede nicht in Ruhe lässt, ein, uns zu besuchen. Brauchen wir nicht Anregung zum Denken, Menschen, die uns Mut machen und Ideen, die uns weiterbringen auf dem Weg und der Suche nach dem Frieden?“ - Ihr Wort in der Leser/innen Ohr! «

Für Familien mit Kindern, Schulen, Freundeskreise, div. Gruppen gibt es Spezialangebote. Detaillierte Informationen finden Sie unter
www.friedens-raeume.de

(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 30 vom 23. Juli 2020)