Die Kunsttherapeutin Heilgard Bertel hat mit einem Team von zwölf Vertreter/innen aus kirchlichen Gruppen der Pfarre St. Konrad in Hohenems ein neues, beeindruckendes Fastentuch geschaffen. Im KirchenBlatt berichtet sie über den Entstehungsprozess, und erläutert ihre farblichen und inhaltlichen Überlegungen vom Dunkel zum Hellen.

Heilgard Bertel / Wolfgang Ölz

Das große Auferstehungs- und Altarkreuz sollte für die Passionszeit verhüllt werden. Dieses zeigt den vom Kreuz sich lösenden Christus mit erhobenen Armen, wie er sich mit nach oben gerichtetem Blick in seinem goldenen Gewand aus der Tiefe von Dunkel und Grab weg dem Himmel zuwendet. So denn auch das Motto: „Vom Dunkel zum Licht“. Damit knüpft dieses Fastentuch an die ursprüngliche sehr alte Tradition an, in der die romanischen Kreuze, die einen „Christ-König“ und nicht den Leidenden zeigen, für die unmittelbare Passionszeit verhüllt und den Augen entzogen wurden. Erst an Ostern sollte dann die Herrlichkeit des Auferstandenen sichtbar werden.

Mitwirken der Pfarrgemeinde
Für das Verhüllungstuch von St. Konrad war ein Mitwirken der Gemeinde, bzw. Vertreter/innen der Pfarrgemeindegruppen, symbolisch als ein Mittragen, vorgesehen. Insgesamt meldeten sich 12 Mitglieder, die einen Nachmittag lang im Atelier Spitzenegg in Hohenems jeweils ein Teilstück des Vorhangs malten. Diese 25 Einzelteile wurden dann, entsprechend dem Entwurf von Heilgard Bertel, die die Malarbeit leitete, zusammengefügt. Das Auflegen der auf grundierter Leinwand gemalten Flächen auf dem Boden zeigte dann zum ersten Mal die riesige Dimension des Vorhangs.
Die Organisation des Zusammennähens und der Applikation auf eine große Gesamtleinwand (belgisches Leinen) übernahm dann die Hohenemser Firma Märk, die Rosemarie Morscher vom Textil-Meisterbetrieb in Sulz als Näherin beauftragte. Frau Morscher bewältigte diese Herausforderung einer Näh-Arbeit mit ihren immer wieder quer durch die Großfläche laufenden Naht-Linien auf bravouröse Weise bis schließlich der ganze Vorhang mit seinem Gewicht von ca. 40 kg und seinen Ausmaßen von 4 x 5 m fertig war.
Eine weitere technische Meisterleistung war die Montage dieses Vorhangs über Rollen und Seilzügen in der Kirche. Nach verschiedenen Überlegungen kamen das Team von Reinhard Marte, Clemens Märk und Stefan Prapotnik zu einer perfekten Lösung, die das problemlose Aufziehen und wieder Einholen des Vorhanges mit seinem Gesamtgewicht ermöglichte.

Wiederbelebte Tradition
So kann dieses Fastentuch in seiner Größe und Farbkraft seit dem Passionssonntag seine liturgische Funktion erfüllen. Dem Zusammenwirken vieler ist es zu verdanken, dass in St. Konrad mit seinem Altar- und Auferstehungskreuz die uralte Tradition der Fastentücher wieder belebt werden konnte.
In der Kern-Tiefe der Passionszeit ist den Augen ein „Fasten“ auferlegt, ist der vorzeitige Blick auf den Auferstandenen noch verwehrt, um voll und ganz wie bei den Kreuzwegen auch, in das „Mitleiden“ und in die Dunkelheit des Todes einzutreten, damit dann um so mehr das Wunder und der Glanz der Auferstehung erfasst werden kann.

Zum Fastentuch

Der vertikale Mittelteil der Quadrate ist eine Abfolge von rot: von burgunderrot über karmin-, signal-, zinnober- bis orange-
rot. Das oberste Quadrat ist weiß, umrändert vom rosafarbenen Licht, gleichsam als Hinweis auf das Versprechen der Auferstehung am Ostermorgen.
Die Rot-Säule ist ein „Stamm“, eine Verbindung des „Unten“ zum „Oben“, sowie eine Anspielung auf die Feuersäule, die den Israeliten beim Durchzug durchs Rote Meer und dann in den Nächten der Wüstenwanderung voranschritt. Das leuchtend brennende Quadrat in der Mitte ist das „Herzstück“ des Tuches, gleichsam das rot brennende Herz Jesu in seiner Passion.

Die Farbsymbolik

Das oberste, weiß-helle Quadrat ist in der Horizontalen flankiert von zwei gelb-goldenen Rechtecken, Hinweis auf den gold-grundigen Himmel der Transzendenz. Daneben steht in der Folge je ein azurblaues Rechteck als Feld des natürlichen Himmels der Schöpfung.
Diese hellste, oberste Zone liegt quer zur senkrechten Rot-Säule und bildet somit ein T-Kreuz,  das für Israel ursprünglich ein Gerichts- und auch Besitzzeichen war: Zeichen dafür, dass das Volk Gottes Besitz Jahwes war, über das er auch Gericht hielt. Vor dem Auszug aus Ägypten hatten sie das Blut des Paschalammes an ihre Türpfosten zu streichen, auf dass der Gerichts-Engel, der die Erstgeburt der Ägypter schlagen sollte, an ihren Türen vorüberginge.
In der horizontalen Gliederung der Felder entsteht unweigerlich auch die Ergänzung in der Horizontalen. Die Schöpfungsachsen in Kreuzform sind mitenthalten und durchwirken das ganze Tuch, das so in seiner Art ein Meditationsfeld darstellt.
Seine Sprache sind die Farben.
Es ermöglicht ein Gesammeltsein auf ein Geheimnis hin, das zwar noch vorenthalten ist, das zu enthüllen letztlich sein Sinn ist. Das gilt in der Liturgie ebenso wie für das Leben überhaupt.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 11 vom 17. März 2016)