Ursprünglich wollte sie Hebamme werden. Ein Volontariat in Bukarest brachte Cornelia Burtscher dann auf eine andere Spur. Heute verhilft sie nicht Neugeborenen ins Leben, sondern Menschen, die irgendwie verloren gehen.

Bild: Cornelia Burtscher war vergangene Woche mit Concordia-Mitarbeiter/innen auf Fortbildung in Vorarlberg.

Patricia Begle

Es gibt Menschen, die in unglaublich kurzer Zeit unglaublich viel schaffen. Ohne dabei gestresst oder ruhelos oder unglücklich zu wirken. Cornelia Burtscher gehört zu diesen. Die 28-jährige Lochauerin arbeitet bei Concordia Sozialprojekte, sie leitet das Volontärsprogramm und das Qualitätsmanagement der Organisation - und zwar an allen vier Standorten, also in vier Ländern. Nebenher absolviert sie ein Masterstudium - „Business of Administration“ - am Studienzentrum IUBH in Berlin, größtenteils als Fernstudium, denn ihr Leben spielt sich vor allem in Bukarest ab.

Osteuropäischer Gemeinschaftssinn
Dort hat sie 2011 auch ein halbes Jahr als Volontärin bei Concordia gearbeitet. In einem Tages- und Nachtzentrum für Obdachlose unterstützte sie Menschen dabei, wieder ins Leben zu finden. Schon bei ihrem Wechsel vom Volontariat zum Studium nach Innsbruck merkte sie, dass ihr das Zurückkommen schwer fiel. „In Rumänien war ich mit Leuten zusammen, die ihre Kräfte bündelten - für andere. Es ging immer um Gemeinschaft“, erzählt Burtscher. „Beim Studium ging es um Noten, um die eigene Laufbahn. Die Gemeinschaft hat vielfach gefehlt. Wir leben hier in einer sehr künstlichen Welt.“ Gemeinschaft spielt in Rumänien auch in der Verantwortlichkeit eine viel größere Rolle. „Bei uns in Österreich ist ‚versagen‘ - zum Beispiel Obdachlosigkeit - eine individuelle Angelegenheit. In Rumänien wird es als gemeinschaftliches Problem gesehen“, erklärt sie. Die Menschen im Osten seien offener und herzlicher, geben und nehmen - das Angewiesensein aufeinander - gehöre selbstverständlich zum Leben dazu, nach dem Motto: „Einmal brauch ich etwas und einmal brauchst du etwas.“

Mit Kopf und Herz
Knapp zwei Jahre nach Studienbeginn wurde sie als Koordinatorin für das Volontärsprogramm angefragt. So schloss sie den ersten Studienabschnitt für Französisch und Russisch rasch ab und machte sich wieder in den Osten auf. Länger als geplant. Parallel zur Arbeit studierte sie Sozial- und Gesundheitsmanagement und machte die Ausbildung zur Supervisorin. Die Lochauerin verbindet die Ebenen, die in ihrem Beruf mitspielen: Sozial- und Wirtschaftswissenschaft, Theorie und Praxis, Kopf und Herz. Was sie tut, tut sie ganz.

An der Not orientiert
„Wir gehen dorthin, wo die Not am größten ist“, lautet der Leitspruch ihrer Organisation. Burtscher nimmt ihn sehr ernst. „Das heißt zuerst einmal, dass man sich die Zeit nimmt und die Bodenständigkeit bewahrt, mit offenem Blick und Ohr den Menschen zu begegnen und sich immer wieder zur fragen: ‚Ist es das, was die Menschen wirklich brauchen‘“, erklärt sie. Was es außerdem benötige, sei die Balance zwischen Kurzzeithilfe und Interventionen mit Langzeitwirkung. Eine Maßnahme, um Zweiteres zu erreichen, sind Investitionen in Erziehung und Bildung. „Das bleibt. Das kann keiner mehr wegnehmen.“
Die Projekte sind in stetem Wandel. So wurde in den letzten Jahren zum Beispiel die Kinderbetreuung von Heimen in kleinere Einheiten verlegt. Einer Familie so ähnlich wie möglich, integriert ins dörfliche oder städtische Umfeld. Es gibt mehr Tageszentren, mehr Präventionsarbeit, Familien werden unterstützt, damit die Kinder dort bleiben können.

Zugang zu Spirituellem
Da der Jesuitenorden Träger von Concordia ist, spiegelt sich die christliche Spiritualität auch in der Sozialarbeit wider. Die Kinder sollen den Glauben kennenlernen - in Feiertagen und Bräuchen - Erwachsenen soll Raum für Gemeinschaft und Gebet zur Verfügung stehen. Alles ist Angebot, also immer mit Freiwilligkeit verbunden. „Das finde ich sehr wichtig, denn Glaube ist etwas sehr Persönliches, hat viel mit Freiraum und Respekt zu tun, braucht hohe Sensibilität“, ist Burtscher überzeugt. „Durch die Arbeit bei Concordia habe ich einen Zugang zum Glauben gefunden. Ich nutze dieses Angebot, wie ich es brauche: ich gehe in die Kirche wenn sie voll ist oder wenn sie leer ist.“

Concordia Sozialprojekte

sind tätig in Rumänien, Moldau, ­Bulgarien und Wien: 1000 Kinder und Jugendliche, Streetwork, 31 Wohngruppen, 4 Lehrwerkstätten, 13 betreute Wohngemeinschaften, Musikschule, 2500 alte Menschen, 10 Sozialzentren, 50 Suppenküchen.  

www.concordia.or.at

(aus dem KirchenBlatt Nr. 18 vom 3. Mai 2018)