Manche der Namen kennt man bereits vom gedenk | kreuz | weg in der Herz-Jesu Kirche oder dem Gedenkweg in Bregenz. Karoline Redler zum Beispiel, oder Ernst Volkmann. Andere Schicksale hingegen werden spätestens diesen Sommer in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken - im Rahmen eines neuen Widerstandmahnmals

Simone Rinner

Ganze 19 Seiten lang ist das Personenregister. Vierspaltig. Alphabetisch. Gefüllt mit Namen von Menschen, die in der Zeit zwischen 1933 und 1945 in Vorarlberg Widerstand geleistet haben. Zählt man sie durch, kommt man auf rund 1.000 Namen, hinter denen sich immer eine Geschichte, geprägt von Verfolgung und Angst, verbirgt.

Schnell und einstimmig
„Bitschnau, Ferdinand, Eisenbahner; in der Gestapo-Haft am 3.1.1943 zu Tode gebracht“, ist da zum Beispiel auf der ersten Seite zu lesen. Und bald auch auf dem neuen Widerstandsmahnmal in Bregenz. Gestaltet wird die Installation, die voraussichtlich auf dem Sparkassenplatz ihren Bestimmungsort finden wird, von der Kärntner Künstlerin Nataša Sienčnik. Im Rahmen eines Gestaltungswettbewerbs, ausgeschrieben von der Arbeitsgruppe Deserteursdenkmal, bewarb sie sich wie 150 andere Mitstreiter/innen mit ihrem Entwurf und gelangte in die engere Auswahl. Die Jury entschied sich einstimmig für das Projekt von Sienˇcnik - noch am selben Tag (und ebenfalls einstimmig) wurde auch vom Stadtrat die Zusammenarbeit beschlossen.

Erinnern
Das Denkmal „erinnert an jene Vorarlberger/innen, die dem nationalsozialistischen Unrechtsregime den Gehorsam verweigert oder aufgekündigt haben. Dazu gehören Wehrdienstverweigerer und Deserteure, Widerstandskämpfer/innen und Bürger/innen, die gegenüber Verfolgten und Misshandelten trotz Verbots Menschlichkeit geübt haben“, ist zukünftig auf dem Glaskasten, der die Installation beherbergen soll, zu lesen. Darin enthalten sind eine Reihe von Fallblattanzeigen, wie man sie von alten Abfahrtstafeln an Bahnhöfen kennt. Sie zeigen in alphabetischer Reihenfolge Namen und Geschichte jener Vorarlberger/innen, die während der nationalsozialistischen Diktatur verfolgt wurden oder Widerstand geleistet haben. „Reinisch, Franz (Pater), Wehrdienstverweigerung, 1942 in Berlin hingerichtet“, zum Beispiel.

Vergessen
„Die Information soll nur einen kurzen Augenblick leserlich stehen, wird statisch festgehalten, verschwindet dann und ist vergessen – außer sie verhaftet sich im Vorübergehen in die Erinnerung der Passantinnen und Passanten“, erklärt die Künstlerin ihr Konzept. Angereichert mit einer „Sound-Ebene“, verstärkt durch Lautsprecher, holt das Mahnmal die Vergangenheit in die Gegenwart, an einen öffentlichen und zentralen Platz. Um nicht zu vergessen.

ZUR SACHE 

Das Thema Erinnern in Österreich

Erinnern wird vor allem in Bregenz groß geschrieben - man denke nur an den Gedenkweg, der mit Gedenktafeln und Straßenbezeichnungen quer durch die Landeshauptstadt führt oder an den gedenk | kreuz | weg, der letztes Jahr in der Herz-Jesu Kirche installiert wurde. Da trifft es sich gut, dass sich in Österreich seit 2008 das „Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ um die politische und juristische Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und anderen Opfern der NS-Militärjustiz bemüht. Dies ist durch das am 21. Oktober 2009 vom Nationalrat beschlossene „Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz“ erreicht worden.

Für alle
Am 23. September 2011 forderten die Bregenzer Grünen und die Johann-August-Malin-Gesellschaft im Rahmen einer Pressekonferenz die Errichtung eines Denkmals für die Vorarlberger Wehrmachtsdeserteure und Wehrdienstverweigerer. Im Herbst 2012 erteilte der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart dem Kulturamt den Auftrag, mit den Vorarbeiten für die Errichtung eines Deserteursdenkmals zu beginnen. Zu diesem Zweck wurde die Arbeitsgruppe Deserteursdenkmal gebildet, die am 15. Jänner 2013 zusammentrat. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe waren sich darüber einig, dass das Denkmal nicht nur an Wehrmachtsdeserteure erinnern soll, sondern an alle, die Widerstand geleistet haben. Sie regten an, einen Wettbewerb zur Gestaltung eines Widerstandmahnmals auszuschreiben.

150 Künstler/innen beteiligten sich am Ideenwettbewerb. Mit Nataša Sienčnik kamen Stefan Amann, Catrin Bolt, Gabriela Klocker und Markus Oberndorfer in die Endrunde, die Sienčnik einstimmig für sich entscheiden konnte. Das Widerstandsmahnmal soll noch heuer realisiert werden.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 20 vom 14. Mai 2015)