680.000 Menschen feiern jeden Sonntag gemeinsam Gottesdienst – vor ihren Radiogeräten. Fünfmal im Jahr wird er aus einer Vorarlberger Pfarre übertragen. Damit er ansprechend und feierlich gestaltet wird und die Zeit von 59 Minuten nicht überschreitet, braucht es einiges an Vorbereitung und Planung. Die Verantwortung dafür liegt bei Johannes Schmidle. Seit zehn Jahren schon liegt die Gesamtleitung der Übertragung in seinen kundigen Händen. An diesem Juli-Sonntag zum letzten Mal, denn seine Pensionierung steht bevor.

Foto: Im Gespräch: Johannes Schmidle und Bernhard Loss. 

Patricia Begle

Samstagnachmittag. Der Altarraum der Herz-Jesu Kirche in Bregenz ist voller Menschen. Das Vorarlberger Sinfonieorchester trifft sich heute mit den Kirchenchören von Herz-Jesu und Hohenems St. Karl zur Probe. Der Eröffnungsgottesdienst zu den Festspielen steht an. Das Besondere an diesem Gottesdienst: er wird übers Radio live übertragen. Deshalb stehen mehr Mikros im Altarraum als sonst, Kabel ziehen den Kirchenbänken entlang bis zur Empore. Denn dort oben gibt es nicht nur die Orgelklänge von Helmut Binder, sondern auch Stücke des Vokalensembles des Kornmarktchores. Dirigent ist Wolfgang Schwendinger – ja, er wird während der Messe des Öfteren seinen Platz zwischen Empore und Altarraum wechseln.

Unaufgeregt.

Johannes Schmidle ist jener Mann, der alles im Kopf und im Blick hat. In seiner ruhigen Art leitet er die Probe - ohne dabei in den Vordergrund zu treten. Kurz bespricht er sich mit den Technikern, die hinter der Kirche den ORF-Bus aufgestellt haben. Zwischendurch klärt er offene Fragen mit dem Tonmeister oder dem Dirigenten oder er plaudert mit einem der Solisten. Der Großteil der Arbeit ist schon getan: Auf einem Ablaufplan sind alle Teile der Messe gelistet - jeder Text, jedes Musikstück - in der rechten Spalte ist die jeweilige Dauer notiert. In einem Probedurchlauf wird an diesem Nachmittag der Plan nochmals aktualisiert, der Zeitplan muss passen, denn die Gesamtdauer von 59 Minuten darf keinesfalls überschritten werden. Denn sonst wird der Gottesdienst von den 11-Uhr-Nachrichten unterbrochen.

Durchgeplant.

Bis dieser Ablaufplan vorliegt, ist schon einiges geschehen: Bernhard Loss, Referent für Kirchenmusik der Katholischen Kirche Vorarlberg, wählt die Gemeinden aus und klärt musikalische Fragen. Einen Monat vor dem Radiogottesdienst sitzen dann alle Beteiligten zusammen - vom Pfarrer über das Liturgieteam bis zum Chorleiter. „Die Gemeinde erklärt ihre Vorstellungen und ich achte darauf, dass diese übers Radio vermittelbar sind“, bringt Schmidle seine Aufgabe auf den Punkt. Dabei geht es um eine gute Mischung und Länge von Texten und Musik. Zudem werden alle Positionen abgeklärt, auch Details wie der Schemel beim Mikro, der für Kinder aufgestellt wird. „Blindflüge gehen nicht“, weiß der erfahrene Redakteur. „Alles muss zügig ablaufen.“ Beim Gottesdienst selbst hat Schmidle dann nicht mehr viel zu tun. Er feiert in der Sakristei mit, beobachtet den Zeitplan und lässt im Notfall dem Priester einen Zettel mit einer Anweisung zukommen. Am Schluss der Messe steht er dann auf der Empore neben dem Organisten und gibt ihm das Zeichen für das Ende.
„Der Radiogottesdienst eröffnet Räume der Religion, in denen sich Menschen beheimatet fühlen“, erläutert der Redakteur. Wort Gottes wird vermittelt und in Verbindung gebracht mit aktuellen Anliegen - in der Predigt, in den Fürbitten oder anderen Texten. „Wir schauen, dass die Texte so sind, dass sie auch von nicht-katholischen Menschen, die zufällig die Sendung hören, verstanden werden“, erklärt Schmidle. Dazu müssen Texte manchmal entflochten, abgekürzt oder vereinfacht werden.

Live-Community.

Die Arbeit mit dem Wort ist das „Geschäft“ des langjährigen Redakteurs. Vor zehn Jahren wechselte er vom Fernsehen zum Radio und übernahm zwei große Formate des ORF Vorarlberg: „Focus“ und „Ansichten“. Die Begegnung mit Menschen ist das, was ihn an seiner Arbeit am meisten fasziniert. „Ich erzähle gerne Geschichten, Geschichten, die mir unter die Haut gehen“, erklärt Schmidle. „Und wenn diese auch andere Menschen berühren, dann freut mich das.“ Für die Themen der Sendereihe „Focus“ legt der Radiomensch seinen Radar über ganz Vorarlberg, Süddeutschland und die Ostschweiz. Unzählig sind die Vorträge, die er in den letzten Jahren besucht hat - nicht immer waren sie geeignet für eine Sendung. Von der Wahl der Themen übers Abtippen der Vorträge (oft ist das Lesen hilfreich fürs Nachdenken) und Schneiden des Beitrages bis zum Aussuchen der Musik liegt alles in den Händen von Schmidle. Er hat viel Gestaltungsfreiraum. Seine Fangemeinde ist groß, für viele Menschen gehören die Sendungen fix zu ihrem Wochenprogramm. Ja, es gibt so etwas wie eine Hörer-Gemeinschaft, die von dem Bewusstsein lebt, dass zu diesem Zeitpunkt viele mithören und mitdenken - bei den Gottesdiensten auch mitbeten. Eine Gegenwärtigkeit, die nur eine Live-Sendung ermöglichen kann. Kein Podcast, kein Nachhören kommt da hin. «

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 29 vom 18. Juli 2019)