Das Vorarlberger Landestheater bringt „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer in einer über weite Strecken temporeichen Inszenierung auf die Bühne. Die sieben Schauspieler/innen gaben bei der Premiere so ziemlich alles.

Dietmar Steinmair

Es war weit mehr als Sprechtheater, was sich dem Publikum am vergangenen Samstag im Kornmarkttheater bot. Zirkusreife Artistik, akrobatische Kampfszenen, live gesungene Lieder, Flötenspiel, Tanztheater-Choreographien, Musik von Beethoven und Strauß. Die Schauspieler/innen schienen ihren Spaß daran zu haben und ließen sich auf die Regieeinfälle von Johannes Lepper derart ein, dass es auch mal weh tat. Sinikka Schubert, die gleich drei Rollen übernahm (Margarethe von Österreich, Berta, Kathrina) verstauchte sich prompt den Knöchel, hielt aber tapfer bis zum Ende durch.
Alle Schauspieler/innen brachten ihre Rolle(n) mit großer Intensität auf die Bühne. Jürgen Sarkiss (König Ottokar) spielte den hochmütigen Fürst von Böhmen und Mähren im ersten Teil überzeugend teuflisch-arrogant. Einem solchen Machthaber möchte man auch im echten Leben nicht begegnen. Durch die Heirat mit Margarethe von Österreich erhält Ottokar Österreich und die Steiermark, schickt Margarethe aber wegen ihrer Unfruchtbarkeit fort und erwählt Kunigunde von Ungarn (Lisa Hofer) zur neuen
Königin. Die gerade gewonnenen
Länder will er jedoch behalten.

Seinen Gegenspieler findet Ottokar nun in Rudolf von Habsburg, ruhig, weise und dennoch unnachgiebig interpretiert von Hansa Czypionka. Die deutschen Fürsten, erbost über Ottokars Behandlung Margarethes und besorgt ob seiner Großmachtsphantasien, wählen Rudolf anstelle des böhmischen Fürsten zum Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Ottokar muss schließlich - kniend und gedemütigt vor aller Welt - seine eigenen Länder vom neuen Kaiser Rudolf zum Lehen nehmen und dem Habsburger Österreich und die Steiermark überlassen. Darüber verfällt Ottokar in den Wahnsinn und wird schließlich von einem seiner Untertanen ermordet.
Zu diesem Zeitpunkt ist Kunigunde schon längst eine Liaison mit Ottokars böhmischem Widersacher Zawisch eingegangen. Ein insgesamt sehr überzeugender Felix Defèr legt den Zawisch teilweise als sehr lauten Einheizer und Krieger, teilweise als Komödiant und Clown an, der auch für Regieanweisungen ans Publikum, historisch unkorrekte Gags und Flirts mit den Damen der ersten Reihe zuständig ist. „Alles Walzer!“, ruft Zawisch mehr als einmal.

Auch Grillparzer selbst nahm es mit der Historie nicht so genau, als er sein Sittenbild machthungriger mittelalterlicher Herrscher im Jahre 1823 - während der Zeit der Restauration - schrieb. Er zeichnet dabei das Bild eines Europa, deren Bewohner/innen zwischen nationalen Interessen rücksichtsloser Despoten buchstäblich zerrieben werden. So wendet sich Hansa Czypionka am Ende ans Publikum und sagt: Würde man auf einer Europakarte alle bisherigen Grenzen mit schwarzer Tinte einzeichnen, entstünde ein so dichtes schwarzes Netz, dass Europa gleichsam als schwarzer Fleck erschiene. Und würde man danach alle jemals kriegsführenden Parteien mit roten Linien verbinden und alle Frontlinien und Kriegsschauplätze rot markieren, wäre die Karte Europas eine einzige rote Fläche.

So wird die Bregenzer Inszenierung zu einem aktuellen Lehrstück über Krieg und Frieden in Europa. Der langanhaltende Premieren-Applaus belohnte Inszenierung und Schauspieler/innen dafür. «

Zum Stück

König Ottokars Glück und Ende., Ein Versuch aus dem Europa der Gegenwart. Von Franz Grillparzer.
Inszenierung und Bühne: Johannes Lepper. Kostüm: Sabine Wegmann. Mit Jürgen Sarkiss, Sinikka Schubert, Felix Defèr, David Kopp, Lisa Hofer, Hansa Czypionka, Luzian Hirzel. Dauer: ca. 2 h 50 min (inkl. Pause).
Termine: 16./29. Mai, 2./7./22. Juni, jeweils 19.30 Uhr, Großes Haus, Vorarlberger Landestheater, Bregenz.
Karten: T 05574 42870 600,
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