Unter Auflagen dürfen Gottesdienste wieder gefeiert werden. Auch wenn manches davon störend sein mag - die Freude über das gemeinsame Feiern überwog beim Sonntagsgottesdienst in Altach.

Elisabeth Willi

Es ist ein ungewohntes Bild in einer Kirche: Dekan Rainer Büchel, Pastoralassistentin Heidi Liegel und zwei Ministranten ziehen zum Gottesdienst ein, und sie alle tragen Mundschutz. Ebenso die Gottesdienstbesucher/innen. Sofern diese nicht im selben Haushalt leben, halten sie einen Meter Abstand zueinander. Jede zweite Bankreihe ist durch ein hübsches weißes oder gelbes Band mit Schleife abgeriegelt. Obwohl das und noch einiges mehr ungewohnt ist, lässt sich am Ende der Messe sagen: Der Gottesdienst war dennoch schön, da er sehr stimmig und gehaltvoll gestaltet wurde. Aber auch, weil es der erste seit neun langen Wochen war.
Erst seit vergangenem Freitag können wieder Gottesdienste gefeiert werden. In jede Kirche dürfen nur so viele Menschen, wie es die Zehn-Quadratmeter-Regelung zulässt - das heißt: Pro Person müssen zehn Quadratmeter des Kirchenraumes zur Verfügung stehen. Für die Pfarrkirche Altach bedeutet dies, dass sich hier ca. 80 Menschen versammeln können. Den Gottesdienst vom vergangenen Sonntag haben aber wesentlich mehr Gläubige mitgefeiert - er wurde nämlich österreichweit in den ORF-Regionalradios live übertragen.

Überraschung im Weihwasserkessel

Schon am Eingang zur Altacher Kirche läuft es am Sonntag anders ab als gewohnt: Zwei Tischchen, auf denen Desinfektionsmittel und Schutzmasken liegen, stehen dort sowie ein Empfangsdienst - heute ein Opa und ein Papa mit seinen zwei kleinen Söhnen. Um die erlaubte Personenanzahl im Blick zu haben, sind im Vorfeld Platzkarten zur freien Entnahme aufgelegt worden. Eine kleine Überraschung erwartet die Besucher/innen bei den Weihwasserkesseln: Diese dürfen momentan ja kein Weihwasser enthalten - stattdessen liegen Papierröllchen drinnen, die mit einem Impuls bedruckt sind. Immer wieder sind im Eingangsbereich freudige Begrüßungen zwischen einzelnen Besucher/innen zu hören wie „So schön, dass wir uns wiedersehen!“
Diese Freude drückt auch Dekan Rainer Büchel zu Beginn des Gottesdienstes aus: „Ihr habt uns gefehlt“, sagt er im Namen der Pfarre Altach - ohne Maske übrigens, die er sowie alle anderen Sprechenden jeweils ablegen, wenn sie das Wort ergreifen. Inhaltlich ist der gesamte Gottesdienst sehr auf das Sehen - von Wesentlichem und auch Unsichtbarem - abgestimmt (siehe Factbox rechts).
Die Corona-Auflagen bedingen, dass beim heutigen Gottesdienst so wenig wie möglich miteinander gesungen wird. Die Musik kommt dennoch nicht zu kurz: Hannes Rappitsch singt und spielt die Gitarre, Kornelia Gächter orgelt. Und so manche/r Gottesdienstbesucher/in singt unter der Maske mit. Die anderen können die Musik ganz auf sich wirken lassen.
Der Friedensgruß per Händedruck entfällt und wird durch eine Verbeugung oder ein Zunicken ersetzt. Vor der Kommunion sammeln sich Priester, Pastoralassistentin und Kommunionhelfer/innen rund um den Altar und desinfizieren sich die Hände. Danach gehen sie zu Schutzglasscheiben, die an mehreren Orten in der Kirche aufgestellt sind. Sie reichen die Hostie unter dieser Scheibe an die Gottesdienstbesucher/innen durch.

Befremdlich, notwendig, trotzdem gut

Nach dem feierlichen Gottesdienst bleiben mehrere Besucher/innen noch ein wenig am Kirchplatz stehen. Es sind zwar auch Rückmeldungen zu hören wie: „Die vielen Maßnahmen sind befremdlich, wenngleich notwendig“ oder „Der Gottesdienst selbst war sehr würdevoll gestaltet, doch durch die Gesichtsmaske habe ich mich wie amputiert gefühlt“. Es überwiegt aber dennoch die Freude, endlich wieder gemeinsam die heilige Messe gefeiert zu haben. Dekan Rainer Büchel drückt seine Eindrücke und Gefühle über diese  Feier so aus: „Es war sehr schön, einfach nur schön.“


Gedanken aus dem Gottesdienst in Altach

Im Sonntagsevangelium sprach Jesus u.a. folgende Worte zu den Jüngern: „Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich.“ Auf das Thema „Sehen“ war der gesamte Gottesdienst abgestimmt, den Dekan Rainer Büchel und Pastoralassistentin Heidi Liegel gestaltet hatten. Viele Menschen hätten in den neun Wochen, die seit Beginn der Corona-Maßnahmen vergangen sind, neu sehen gelernt. Nämlich: „Sehen, was gut läuft. Sehen, was möglich ist. Sehen, wie es dem anderen geht. Sehen, was wesentlich ist.“ So zog Rainer Büchel am Ende seiner Predigt eine positive Bilanz: „Trotz aller Schwierigkeiten in den vergangenen neun Wochen muss ich sagen: Ich bin dankbar für diese Zeit.“ Heidi Liegel wiederum erzählte von Hoffnung, Liebe und Glaube: „Diese drei kann ich nur mit meinem Herzen sehen und leben - sie sind wesentlich in meinem Leben und begleiten mich durch meine Zeit.“ Vor, während und nach Corona.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 21 vom 21. Mai 2020)