Das Thema ist allgegenwärtig. In den Nachrichten über kenternde Boote im Mittelmeer, in der innenpolitischen Debatte über Zelte und Kasernen, in der Diskussion über die Asylwerber in Alberschwende oder Dornbirn. Vor einer - zumeist emotional geführten - Auseinandersetzung mit dem Thema lohnt ein Blick auf die Fakten.

Dietmar Steinmair

Flüchtlingsströme großen Ausmaßes gab es  immer wieder in der jüngeren Geschichte Europas. Ob nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Ungarn-Aufstand 1956/57, nach dem Prager Frühling 1968, aus Albanien 1991 oder aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina 1991-1993. In den vergangenen Jahren sind es nun Flüchtlinge aus Afrika (vor allem aus Eritrea), aus Syrien oder aus Afghanistan.

Situation und Begriffe
Allein 2014 erreichten weit mehr als 200.000 Menschen über das Mittelmeer Europa. Über 3.500 Personen kamen dabei laut UNHCR ums Leben. Die Versuche der Abschottung - mit Grenzzäunen wie beispielsweise in den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla - führen dazu, dass Schlepper große Gewinne mit den Routen übers offene Meer erzielen. All diese Flüchtlinge werden im Gegensatz zu den regulären Migranten - Schlüsselarbeitskräfte, Facharbeiter, Studenten - als irreguläre Migranten bezeichnet. Ist eine Person einmal in Europa angekommen, muss unterschieden werden zwischen „Asylwerbern“ und „Asylberechtigten“, also jenen Menschen, denen aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention der rechtliche Status eines Flüchtlings zuerkannt wurde. Der Begriff „Asylant“ dagegen - so sagen Flüchtlingsorganisationen - sei negativ besetzt (vgl. „Querulant, Spekulant, Simulant, ...“) und sollte vermieden werden.

Angesichts der jüngeren Flüchtlingsströme verstrickt sich die europäische Asylpolitik in Widersprüche. Griechenland und vor allem Italien, die die Hauptlast der Rettung und Unterbringung der Flüchtlinge tragen, werden von den anderen EU-Ländern - aus innenpolitischen Gründen - nicht ausreichend unterstützt. Problematisch ist dabei das sogenannte „Dublin-Abkommen“ zwischen den EU-Staaten, nach dem Flüchtlinge in jenem EU-Land ihren Asylantrag stellen müssen, in den sie nachweislich zuerst eingereist sind.

Österreich und Vorarlberg
2014 gab es in Österreich 28.027 Asylanträge. Das sind fast dreimal so viele wie 2010, wo mit 11.012 Anträgen der Tiefstwert der letzten 15 Jahre verzeichnet wurde. Entgegen dem Gefühl vieler Menschen waren die Jahre zu Beginn des neuen Jahrtausends wesentlich stärkere Flüchtlingsjahre (2001: rund 30.000 Asylanträge, 2002: 39.000, 2003: 32.000).
Gemäß der Grundversorgungsvereinbarung zwischen dem Bund (Innenministerium) und den Ländern kommt eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen auch nach Vorarlberg. In Vorarlberg ist die Caritas vom Land damit beauftragt, die Grundversorgung der Asylwerber sicherzustellen.
Von den 37.239 Asylwerber/innen die sich derzeit in Österreich aufhalten (Stand 2. Juni), müsste Vorarlberg laut Quote 4,41 Prozent aufnehmen - also 1642 Personen.  Tatsächlich warten derzeit 1.464 Menschen in Vorarlberg auf ihren Asylbescheid. Vorarlberg erfüllt somit 89% der vorgegebenen Quote. Aktuell fehlen 200 Plätze zur Unterbringung von Asylwerbern.

Unterbringung. Darum sucht die Caritas intensiv nach Quartieren, die sie zur Unterbringung der Asylwerber anmieten kann. Die Reaktionen der Bürgermeister auf die Anfragen zu größeren Einheiten sind unterschiedlich. Aber auch private Eigentümer scheuen sich, eine Wohnung an die Caritas zu vermieten. Die Caritas kümmert sich nämlich - nach einem etwaigen positiven Asylverfahren - auch darum, dass die Bleibeberechtigten zu eigenen Wohnungen kommen, und muss die Asylquartiere wieder mit neuen Asylwerbern belegen. Potentielle Vermieter befürchten darum einen steten Wechsel mit immer wieder neuen Flüchtlingen in der Wohnung. Auch weil die meisten Asylwerber männlich und im Alter zwischen 18 und 22 Jahren sind.

Die mit Abstand meisten Flüchtlinge hat die Caritas in Feldkirch untergebracht (185, Stand 2. Juni), 71 sind es in Dornbirn, 54 in Bludenz, 47 in Schruns, 46 in Bludesch, 44 in Bregenz. Die anderen Quartiere liegen in Dörfern. In Hohenems oder in Lustenau hat die Caritas noch keine größeren Flüchtlingsquartiere gefunden. Die  Caritas betreut derzeit 85 angemietete Wohnungen und Häuser mobil, 15 Unterkünfte (mit mindestens 25 Bewohner/innen, etwa Gasthäuser oder ehemalige  Studentenheime) werden stationär betreut.

Leben
Die Caritas erhält von der öffentlichen Hand derzeit 19 Euro pro Tag pro Flüchtling. Damit kann sie den Asylwerbern eine finanzielle Unterstützung geben, etwa 200 € Lebensunterhalt pro Monat für Erwachsene; für Kinder sind es 90 €. Flüchtlinge bekommen 40 Euro Taschengeld, für Kinder ein Schulgeld von 100 € / Semester sowie Bekleidungsgutscheine (150 € / Jahr). Die Mitarbeiter unterstützen die Flüchtlinge bei der Orientierung in Vorarlberg (Werte und Normen, Bildung, Gesundheit, Haushaltsführung, z.B. Mülltrennung), durch Kriseninterventionen, in der Rechtsberatung im Asylverfahren und in der Rückkehrberatung. Die medizinische Grundversorgung ist über die Vorarlberger Gebietskrankenkasse abgedeckt.
In den Caritas-Quartieren müssen die Asylwerber auch beschäftigt werden. Das geschieht durch Deutschkurse, Tätigkeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe (Zuverdienst erlaubt bis 110 € / Monat), auch durch Freizeitaktivitäten. Möglichkeiten zur Arbeit oder Ausbildung/Lehre sind stark begrenzt, zumeist jedoch nicht erlaubt.

Lesen Sie in der nächsten KirchenBlatt-Ausgabe über den Beitrag der Kirche in der Flüchtlingsfrage und über den biblischen Begriff des „Fremdseins“.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 24 vom 11. Juni 2015)