„Mehr Personal, mehr Freizeit, mehr Geld.“ Die Forderungen für den Pflege- und Gesundheitsbereich sind weder neu, noch überzogen. Und nach vielen Jahren leider quasi immer noch aktueller denn je. Der Tag der Pflege am 12. Mai bietet Anlass, genauer hinzusehen.
„Wir sind echt stinksauer auf diese Bundesregierung! Seit Monaten hören wir nur Blabla, wenn es um die versprochene Gesundheits- und Pflegereform geht – aber passieren tut genau gar nichts. Es ist höchste Zeit, dass die Verantwortlichen einmal hören und sehen, wie wütend die Bediensteten im Gesundheits- und Langzeitpflegebereich deshalb sind“, kündigt Edgar Martin im Namen der „Offensive Gesundheit“ eine große Demonstration – u.a. in Wien – an. Diese findet am 12. Mai statt – dem Tag der Pflege. Seit 1967 wird der Internationale Tag der Pflege am Geburtstag von Florence Nightingale, einer britischen Krankenschwester gefeiert, die als Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege gilt. Verbunden ist dieser Tag zumeist mit Forderungen an die Politik nach einer Verbesserung der Pflegesituation, die nicht erst seit Ausbruch der Pandemie prekär ist.
Wanted: 76.000 Pflegekräfte bis 2030
152.000 Menschen arbeiten laut „Offensive Gesundheit“ in Österreich derzeit in Pflegeberufen. Der anhaltende Personalmangel bewirke aber, dass viele im Pflegebereich beschäftigte Menschen den Beruf verlassen. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Gesamtbevölkerung und einer Zunahme von älteren Menschen in der Gesellschaft entstehe so eine Spirale nach unten. Rechnet man die 41.000 bevorstehenden Pensionierungen bis 2030 ein, werden bis dahin mindestens 76.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Die seit Jahren angekündigte Pflegereform friste ein Dasein als „Papiertiger“, kritisiert auch Caritas Präsident Michael Landau und äußert die Befürchtung, dass aus der Pflegekrise eine Pflegekatastrophe werden könnte. Fachkräfte und pflegende Angehörige seien schon jetzt gleichermaßen erschöpft und überlastet. „Sie sind vielfach am Ende ihrer Kräfte und bräuchten dringend Unterstützung – etwa in Form von mobiler Pflege und Betreuung“, betont Landau.
Herausforderung für pflegende Angehörige
In Österreich pflegen laut Hilfswerk übrigens rund eine Million Menschen ihre Angehörigen. Die Hälfte von ihnen ist über 60 Jahre alt, ein Viertel über 70. Zudem wird mehr als die Hälfte der Pflegebedürften vom (Ehe)-Partner oder der Partnerin betreut. Es brauche eine „einheitliche, bundesweite Lösung für ein Pflegesystem mit Zukunft, eine Pflege, die in allen Bundesländern gleich viel wert sein müsse sowie eine bundesweit akkordierte Ausbildungsoffensive“, so Landau, der vorrechnet wie es gehen könnte: Nämlich mit hochgerechnet etwa 194 Millionen Euro pro Jahr. „Das muss es Österreich wert sein“, betont er. Bleibt abzuwarten, ob das die Bundesregierung auch so sieht.
Anna Kollarikova ist selbstständig als 24-Stunden-Pflegerin tätig.
Ich arbeite gerne mit Menschen und es ist mir ein echtes Bedürfnis (oder: es macht mich glücklich) Menschen zu helfen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Kinder und alte Leute von der Gesellschaft vergessen werden, deshalb bin ich auch in der Altenpflege tätig. Ich koche und backe gerne, noch mehr aber interessiert mich das Medizinische an der Pflege. Deshalb möchte ich, wenn ich ausreichend Deutsch kann, die Ausbildung zur Pflegeassistentin machen. Kraft für meine Arbeit gibt mir mein Gott, ich bin ein gläubiger Mensch. Kraft finde ich auch in der Natur und in der Bewegung. Und natürlich sind meine zwei Jungs (17 und 21) eine große Kraftquelle, denn als Witwe bin ich allein zuständig für die Finanzierung ihrer Ausbildung. Was ich mir von der Gesellschaft wünsche, ist Frieden und Respekt füreinander. Das erlebe ich hier im Dorf – Koblach ist ein wahnsinnig gutes Dorf.
Günter Lins , Diplomierter Krankenpfleger im LKH Rankweil.
Ich bin schon dreißig Jahre als Krankenpfleger tätig und habe dadurch viel Erfahrung. Wenn ich Patient/innen aufklären kann und ihnen damit weiterhelfe, dann ist das für mich eine Genugtuung. Zudem rede ich gerne mit Leuten – das gehört ja zu meinem Beruf dazu. Ein anderer Grund, der mich in der Pflege gehalten hat, ist die Sicherheit, die krisenfeste Anstellung. Auftanken kann ich in meiner Freizeit beim Radeln, Wandern und Tischtennisspielen, beim Kochen und Backen. Kraft gibt mir auch der Blick in die Zukunft, die Neugier darauf, was das Leben noch alles so bringt. Was ich mir von der Gesellschaft wünsche: weniger reden und mehr tun. Ich finde es ein Armutszeugnis, wenn eine Wohlstandsgesellschaft die Pflege von alten Menschen nur mit billigen Pflegekräften aus anderen Ländern finanzieren kann. Müssten wir nicht selbst auf unsere Angehörigen schauen?
Karin Knünz, Diplomierte Sozial-betreuerin im Sozialzentrum Bürs.
Ich habe den Eindruck, dass manche Leute ein seltsames Bild von einem Pflegeheim haben. So, als ob es eine „tote Sache“ wäre – aber hier findet Leben statt! Kein Tag ist wie der andere, es läuft total dynamisch ab, selten geht etwas nach Plan, langweilig ist es nie. Und das mag ich. Ich mag auch, dass ich jeden Tag etwas zum Lachen habe, denn alte Menschen sind humorvoll, auch jene mit Demenz. Mich faszinieren ihre Lebensgeschichten. So unterschiedlich wie diese, sind auch die Charaktere und Krankheitsbilder der Bewohner/innen. Das erfordert von uns sehr hohe pflegerische Kompetenz sowie viel Gespür für Zwischenmenschliches. Schließlich soll sich jede und jeder hier wohl fühlen und den eigenen Platz finden. Auftanken kann ich im Freien oder beim Herumwerkeln in der Küche. Ich mag Kräuter, ich mag es, etwas ganz in meinem eigenen Tempo zu tun.
Angelika Mischi, Pflegerin im Hospiz am See in Bregenz.
Das stationäre Hospiz bietet Rahmenbedingungen, sodass ich meine Auffassung von guter Pflegearbeit umsetzen kann. Das Miteinander und die unkomplizierte Erreichbarkeit der begleitenden Berufsgruppen, der etwas höhere Pflegeschlüssel, die Herausforderungen durch die unterschiedlichen Krankheitsbilder und Fachrichtungen bringen viel Freude und Abwechslung in den Berufsalltag. Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten, belastende Symptome zu lindern und in der verbleibenden Zeit Gutes tun zu können, empfinde ich als erfüllend. Ich erlebe viele Menschen, die dem Beruf der Pflege sehr wertschätzend und dankbar gegenüberstehen. Trotzdem sind viele meiner Berufskolleg/innen müde und ausgebrannt. Das liegt meiner Meinung nach an Rahmenbedingungen, über die die Entscheidungsträger zwar schon jahrelang diskutieren, deren Umsetzung aber nur sehr schleppend voranschreitet. Da hat die Gesellschaft oder der Einzelne wenig Einfluss.
Judith Nachbaur, Pflegeleiterin des Krankenpflegevereins Egg-Andelsbuch.
Die Pflege ist ein sehr vielseitiger Beruf mit vielen Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Mir gefällt an meinem Beruf, dass ich mit und für Menschen arbeiten darf. Die täglichen Herausforderungen in der mobilen Pflege sind spannend, abwechslungsreich, interessant und sinnstiftend. Ich freue mich für Menschen in Krisen oder am Ende des Lebens da sein zu können. Die Wertschätzung und Anerkennung der hilfsbedürftigen Menschen und die Dankbarkeit der Angehörigen sind dabei unheimlich motivierend für mich. Ich persönlich schöpfe aber auch Kraft aus dem Zusammenhalt, der Motivation aber auch dem Humor im Team. Alle Menschen wünschen sich, im Alter würdevoll und respektvoll betreut und gepflegt zu werden. Mein Wunsch ist es, dass die Gesellschaft den alten Menschen mit Empathie und Respekt begegnet und dass die Pflege die gesellschaftliche Wertschätzung erhält, die sie verdient.
David Hahn, Pfleger in der Therapiestation Lukasfeld.
Der Pflegeberuf ist sehr vielfältig und bietet ein breites Betätigungsfeld. Was ich besonders daran schätze, ist das hohe Maß an Eigenverantwortung aber auch die Eigeninitiative, die der Beruf voraussetzt. Bei der Arbeit mit den Patient/innen steht selbstverständlich der Mensch immer im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Ganz entscheidend ist für mich der gute Zusammenhalt im Team. Das fängt beim Teamleiter an und geht weiter über ein großes Engagement der Mitarbeiter/innen bis hin zu einem verlässlichen und wertschätzenden Miteinander. Neben mehr Unterstützung und Wertschätzung würde ich mir von der Gesellschaft vor allem mehr Geduld und Vertrauen in unsere Arbeit wünschen. In Hinblick auf den Pflegekräftemangel ist aus meiner Sicht auch ein gesteigertes Interesse an unserer Berufsgruppe von enormer Bedeutung. Meine Akkus lade ich in der Natur beim Klettern, Wandern oder bei Skitouren auf.