„Spotlight“, das ist der Name eines Journalisten-Teams, das sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Boston aufdeckte. Der Film dazu wurde kürzlich mit dem Oscar für den besten Film sowie für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet.

Dietmar Steinmair

Die Tageszeitung „The Boston Globe“ unterhält eine eigene Recherche-Abteilung - genannt „Spotlight“ - die sich in oft monatelanger Arbeit dem Aufdecken großer Fälle widmet. Im Jahr 2001 gehen die Journalisten Hinweisen nach, dass es in der katholischen Kirche Bostons mehr als nur Einzelfälle von Priestern gibt, gegen die wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt wurde und wird. Ein Opferschutzverein liefert Kontakte zu Missbrauchsopfern und Namen von Priestern. Die Liste der mutmaßlichen Täter wird immer länger. Die Journalisten recherchieren also weiter, um das ganze System des Missbrauchs und der Vertuschung ans Licht zu bringen.

Mithilfe eines Opferanwalts erlangt das Team Einsicht in wichtige Protokolle, die Gerichte und Staatsanwaltschaft unter Verschluss hielten. Auch bei der katholischen Kirche ­treffen die Journalisten vorwiegend auf eine Mauer des Schweigens. Einigungen zwischen der Kirche und Opfern waren stets außergerichtlich und abseits der Öffentlichkeit getroffen worden. Die Diözese selbst hatte die beschuldigten Priester entweder krankgeschrieben oder in eine andere Pfarre versetzt. Als die Journalisten die Erzdiözese Boston nach einjähriger Recherche mit den Ergebnissen konfrontieren, gibt es keine Antwort auf die Fragen. „Wir wollen diese Fragen nicht einmal hören“, sagt die Pressesprecherin des Kardinals. Das Filmende soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
2003 erhielt das Spotlight-Team für seine Artikelserie zu den Missbrauchsfällen den Pulitzer-Preis. Bis heute wurden mindestens 271 Personen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der Erzdiözese Boston angeklagt.

„Spotlight“ ist in erster Linie ein Film über die Arbeit von Journalisten. Regisseur und Drehbuchautor Tom McCarthy geht mit dem komplexen Thema klug um: Er erzählt die Story konsequent aus der Sicht der recherchierenden Journalisten. Die Missbrauchs-Schilderungen durch Opfer werden emotional nicht ausgeschlachtet, es gibt keine Verschwörungstheorien und auch der „Boston Globe“, der zehn Jahre vorher Hinweisen nicht nachgegangen war, wird kritisch hinterfragt.

Aufgrund der Komplexität der Fälle kann der Zuschauer die Recherche-Schritte und die Wasserdichtheit der Beweise oft nur erahnen, einiges bleibt lückenhaft. „Die Kirche“ erscheint als weitgehend anonyme Gegenseite ohne Gesicht(er), nur kurz bekommen der Kardinal und ein Täter eine eigene Szene. Selbst der Therapeut, der im Auftrag der US-Kirche jahrelang pädophile Priester behandelte und zu einer der wichtigsten Quellen wird, tritt nur in Telefongesprächen auf. Im Gegensatz dazu spielen die katholischen Biographien der Journalisten immer wieder in ihre Arbeit hinein und sorgen so für emotionale Momente.
Der Film kommt - wohltuend - ohne großes Drama und ohne Szenen aus, die auf die Tränendrüse drücken. Gleichzeitig ist der Streifen nie langweilig und hinterlässt nachdenkliche Zuschauer. Die offizielle Kirche findet den Film gut. Kardinal Schönborn verlieh ihm das „Prädikat: sehenswert“: „Das Thema Missbrauch war allzu lange tabu. Doch Schweigen ist hier Gift“, so der Wiener Erzbischof. Auch für den „Osservatore Romano“ ist „Spotlight“ kein antikatholischer Film.

Fazit
Vor allem weil das Thema wichtig ist, ist auch der Film wichtig. Und es geht um journalistische Ethik. In Zeiten, in denen Nachrichten viele Menschen nur noch über Facebook oder Twitter erreichen, zählt der vertiefte Blick auf journalistisches Handwerk besonders. Darum: ansehen!

Zum Film

Spotlight. USA 2015, 128 min.
Regie: Tom McCarthy, Drehbuch: Tom McCarthy, Josh Singer.
Musik: Howard Shore.
Mit: Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel ­McAdams, Liev Schreiber, John Slattery, Stanley Tucci u.a.
Ausgezeichnet mit den Oscars für den besten Film sowie für das beste Originaldrehbuch.

(aus: Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 10 vom 10. März 2016)