Für erlittenes Unrecht Rache zu nehmen scheint ein menschliches Urbedürfnis zu sein und eine Weise der Selbstverteidigung und Selbstbehauptung. Aber wo endet das Recht, wo beginnt das Unrecht? Im Alten Testament hieß es: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Anders Jesus: Er fordert den Verzicht auf Rache und darüber hinaus aufrichtiges Verzeihen. Weil er uns frei sehen will von unnötigen Lasten …

24. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A, 17. September 2017
Wort zum Sonntag von P. Severin Mayrhofer

1. Lesung
Jesus Sirach  27,30 – 28,7

Groll und Zorn, auch diese sind Gräuel und ein sündiger Mann hält an ihnen fest. Wer sich rächt, erfährt Rache vom Herrn; seine Sünden behält er gewiss im Gedächtnis. Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du bittest, deine Sünden vergeben! Ein Mensch verharrt gegen einen Menschen im Zorn, beim Herrn aber sucht er Heilung? Mit einem Menschen gleich ihm hat er kein Erbarmen, aber wegen seiner Sünden bittet er um Verzeihung? Er selbst – ein Wesen aus Fleisch, verharrt im Groll. Wer wird seine Sünden vergeben? Denk an das Ende, lass ab von der Feindschaft, denk an Untergang und Tod und bleib den Geboten treu! Denk an die Gebote und grolle dem Nächsten nicht, denk an den Bund des Höchsten und übersieh die Fehler!

2. Lesung
Römer  14,7–9

Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.

Evangelium
Matthäus  18,21-35

Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal? Jesus sagte zu ihm: Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal. Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Knechten Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. Da fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr des Knechtes hatte Mitleid, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld. Als nun der Knecht hinausging, traf er einen Mitknecht, der ihm hundert Denare schuldig war.
Er packte ihn, würgte ihn und sagte: Bezahl, was du schuldig bist! Da fiel der Mitknecht vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe. Als die Mitknechte das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was ge-schehen war. Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest nicht auch du mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe. Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt.

WORT ZUM SONNTAG

P. Severin Mayrhofer
P. Severin Mayrhofer

ehem. Professor für Biologie am
Franziskanergymnasium Hall i. Tirol,
jetzt Guardian des Franziskanerklosters Telfs.
Den Autor erreichen Sie unter

Einmal muss genug sein

Petrus meint, dass er mit seiner Antwort, siebenmal zu verzeihen, doch recht großzügig sei. Er ist es auch, aber Jesus bringt das Thema auf eine andere Ebene. Jesus verlangt nicht, dass man sich zum Prügelknaben machen lassen muss. Es geht nicht ums Zählen, wie oft man verzeihen muss, sondern um eine Haltung, die in der Haltung Jesu und damit in Gott selber gegeben ist. Jesus veranschaulicht dieses Verzeihen in einem Gleichnis. Besonders deutlich wird die Wichtigkeit des Verzeihens, wenn der Blick auf das Verweigern von Verzeihung gelenkt wird, z. B. auf das Nachtragen von Beleidigungen.

In einem Bildungshaus wurde das einmal szenisch dargestellt: Eine Frau ging beliebig kreuz und quer durch die Sesselreihen des Saales. Ein Mann trug wortlos einen schweren Stein hinter ihr her. Das Nachtragen nahm ihm die Freiheit und die Eigenständigkeit, er war ganz von der Frau – und dem Stein – abhängig. Wo ein Mensch nicht verzeihen kann, sondern die Last der Verletzung ständig mit sich umherträgt, büßt er seine Freiheit ein. Er gibt dem anderen die Macht über sich, über sein Denken und Planen. Er fixiert sich in der Opferrolle und lässt sich vielleicht von anderen bemitleiden. Aber die Opferrolle lähmt ihn in der Beziehung zu anderen Menschen. Verzeihen hingegen macht den Menschen frei und heil und öffnet den Blick für das Gute und Schöne. Durch das Gleichnis weist Jesus eindringlich darauf hin, dass wir selber auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind und daher selber Verzeihung schenken sollen. Jesus will, dass wir frei werden von unnötigen Lasten.

Zum Weiterdenken
Trage ich Groll und Bitterkeit in mir? Welchen Menschen kann ich schwer verzeihen? Sehe ich die Menschen um mich herum, die mir wohl gesonnen sind, mit denen ich Freude erleben kann? Habe ich die Erfahrung gemacht, wie Verzeihen schöpferisch sein kann?

Preise den HERRN, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen!
Preise den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!
Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt,
der dein Leben vor dem Untergang rettet
und dich mit Huld und Erbarmen krönt.
Er wird nicht immer rechten und nicht ewig trägt er nach.
Er handelt an uns nicht nach unsern Sünden
und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld.
So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang,
so weit entfernt er von uns unsere Frevel.
Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt,
so erbarmt sich der HERR über alle, die ihn fürchten.

Antwortpsalm, aus Psalm 103

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 37 vom 14. September 2017)