23. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A, 7. September 2014. Wort zum Sonntag von Andreas Liebl.

„Gerechtigkeit muss sein!“ Aus dem Mund eines Menschen bedeutet das meist: „Auf eine Tat muss die gerechte Strafe folgen.“ Auch Gott verschließt nicht die Augen vor Unrecht, tut einem schuldig gewordenen Menschen gegenüber nicht so, als ob nichts gewesen wäre. Die Strafe ist aber nicht, was Gott letzten Endes für die Schuldigen will. Er beauftragt jeden Menschen, wachsam zu sein für den Bruder und die Schwester, sich immer und immer wieder um sie zu bemühen.

Evangelium
Matthäus  18,15–20

Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

1. Lesung
Ezechiel  33,7–9

Du Menschensohn, ich gebe dich dem Haus Israel als Wächter; wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen. Wenn ich zu einem, der sich schuldig gemacht hat, sage: Du musst sterben!, und wenn du nicht redest und den Schuldigen nicht warnst, um ihn von seinem Weg abzubringen, dann wird der Schuldige seiner Sünde wegen sterben. Von dir aber fordere ich Rechenschaft für sein Blut. Wenn du aber den Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast, damit er umkehrt, und wenn er dennoch auf seinem Weg nicht umkehrt, dann wird er seiner Sünde wegen sterben; du aber hast dein Leben gerettet.

2. Lesung
Römer  13,8–10

Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den andern liebt, hat das Gesetz
erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes. 

WORT ZUM SONNTAG

Andreas LieblAndreas Liebl
ist Koordinator der Gefangenen-Seelsorge
der Diözese Innsbruck und Religionslehrer an der
Tiroler Fachberufsschule für Holztechnik in Absam.
Den Autor erreichen Sie unter
sonntag@kirchenzeitung.at

Was wir Schuld schulden

Worüber reden Sie am liebsten? Vielleicht über andere? Was wird gern gelesen in der Zeitung? In vielen unserer Gespräche, unserer Interessen stehen andere im Mittelpunkt. Schwächen und Fehler werden ausgebreitet, durch Medien, die wir konsumieren. Findet sich zu wenig Negatives, wird durch Erfundenes ergänzt. Im Zweiergespräch lässt sich manches als Missverständnis aufklären. Dies kann helfen, den Weg der Schuld und der Fehler zu verlassen.

Ein heißer Sommernachmittag, vom nahen Redemptoristen-Kolleg hört man die Glocken in den menschenleeren Hof des Landesgerichts Innsbruck, zwei Beamte bringen einen Häftling in Handschellen in den Schwurgerichtssaal, ich begleite sie über den Hof, die Tür geht auf und eine Meute von Fotografen, Schaulustigen stürzt durch die Gänge, Blitzlichtgewitter, Gedränge, hastige Gier nach dem Unaussprechlichen, nach dem Bösen, dem Grauen einer Untat – zu Gesicht bekommen sie einen Menschen! Die Tür geht zu und ich bleibe alleine mit meinen Gedanken im Hof zurück und werde traurig: eine an die Öffentlichkeit gezerrte Lebensgeschichte, von Täter und Opfer …

Sicher, keine alltägliche Situation! Um wie viel feinfühliger spricht Jesus im Evangelium unseren christlichen Umgang an, mit der Sünde und dem Sünder, schuldig geworden an sich und an anderen. Doch nur durch die Brille der Barmherzigkeit und mit demütigem Herzen gelingt uns der Blick auf die Verfehlungen, ohne überheblich und hochmütig zu werden. Wir sind in geschwisterlicher Korrektur nur ein Instrument Gottes. Was wir auf Erden binden oder lösen werden, wird auch im Himmel gebunden oder gelöst sein. Menschen sollen heil bleiben oder zum Heil geführt werden. Seelsorge sagt genau das aus: Das Wertvollste, auch im schuldig gewordenen Menschen, die Seele, zu fördern und zu schützen. Für dieses Kostbarste im Menschen zu sorgen ist Auftrag an alle – auch wenn unsere Gesellschaft lieber ins Fernsehen will als in den Himmel!

Zum Weiterdenken
Lasse ich mich korrigieren? Von wem kann ich Kritik annehmen?

Heutzutage
hört man immer wieder, dass das Individuum
nichts mehr ausrichten kann. Laut zu protestieren
bedeute nur Gefangenschaft und Tod.
Richtig, wir können nicht mehr viel tun,
um den gesamten Kurs zu ändern,
den die Weltgeschichte nimmt.

Aber solange wir in dieser Welt leben,
glaube ich, ist es niemals zu spät, uns selbst und
vielleicht die eine oder andere Seele für Christus zu erhalten.

Seliger Franz JägerstÄtter, Bauer und Kriegsdienstverweigerer