2. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr A, 27. April 2014. Wort zum Sonntag von Pfr. Franz Wöckinger.

Thomas steht an der Seite derer, die um eine persönliche Glaubensentscheidung ringen. Er gibt denen Recht, denen das mit dem Glauben manchmal gar zu schnell und einfach und oberflächlich geht. Er belegt die Geduld Jesu mit jenen, die noch Zeit brauchen und die inzwischen das „vielleicht ist es aber wahr“ zumindest nicht ganz aus ihrem Herzen streichen. 

Evangelium
Johannes  20,19–31

Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.

Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Strecke deinen Finger aus – hier sind meine Hände! Strecke deine Hand aus und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!

Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.

1. Lesung
Apostelgeschichte  2,42–47

Sie (die Gläubigen) hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. Alle wurden von Furcht ergriffen, denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und warenbeim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten.

2. Lesung
1 Petrus  1,3–9

Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist. Gottes Macht behütet euch durch den Glauben, damit ihr das Heil erlangt, das am Ende der Zeit offenbart werden soll. Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst. Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird (eurem Glauben) Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi. Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil.

WORT ZUM SONNTAG

Franz WöckingerFranz Wöckinger
ist Pfarrer in St. Georgen
an der Gusen, Oberösterreich.
Den Autor erreichen Sie unter
sonntag@kirchenzeitung.at

Zweifel gegen falsche Vereinfachung

Ein sehr gelehrter Mann ging zu Rabbi Levi Jizchak. Er wollte ihm weismachen, wie rückständig und unvernünftig der Glaube sei. Der Rabbi wusste sehr wohl: Gott und sein Reich können nicht auf den Tisch gelegt und bewiesen werden. Er sagte zu diesem ganz auf die Vernunft zählenden Mann nur: „Aber, mein Sohn, bedenke, vielleicht ist es wahr.“ Dem Gelehrten schlotterten daraufhin die Knie. Alle seine gescheiten Einwände zerbrachen immer wieder an diesem „Vielleicht“ (Martin Buber).

„Ungläubig“ nannte man früher den Jünger Thomas. Als „Zweifelnder“, „Suchender“, ja als „glauben wollender Thomas“ gilt er uns heute. Kurt Marti lässt in einem Abschnitt des Buches „Gott im Diesseits“ den Gedanken spielen, dass im Wort „Zweifel“ das Zahlwort „zwei“ steckt: Fast alles hat zwei oder noch mehr Seiten. Wer immer vereinfacht, will nur eine Seite sehen und gelten lassen. Zweifelnde hingegen ehren die Vielseitigkeit von Menschen und Dingen und den tiefen Reichtum des Lebens.

Im Jünger Thomas
sehen jene einen Vertrauten, die ganz persönlich Christus begegnen und von ihm berührt werden wollen. Glaube entspringt nicht einfach unserer privaten Initiative. Er lässt sich nicht mit „Ho-ruck“ entfachen. Wir empfangen ihn aus der uns geschenkten und überlieferten Botschaft, die wir uns nicht selbst erst schaffen. Glaube kommt zwar vom Hören, aber er kann sich nicht einfach nur vom Hörensagen nähren. Thomas steht an der Seite derer, die um eine persönliche Glaubensentscheidung ringen. Er gibt denen Recht, denen das mit dem Glauben manchmal gar zu schnell und einfach und oberflächlich geht. Er belegt die Geduld Jesu mit jenen, die noch Zeit brauchen und die inzwischen das „vielleicht ist es aber wahr“ zumindest nicht ganz aus ihrem Herzen streichen.

Zum Weiterdenken
Wo habe ich selbst mir einfache, vielleicht gar zu einfache Antworten und Meinungen zurechtgelegt? Könnte mehr Mut zum Zweifel meinen Glauben fördern und mich für bereichernde Überraschungen öffnen?

Geht in den Tag hinaus ohne vorgefasste Ideen,
ohne die Erwartung von Müdigkeit,
ohne Plan von Gott, ohne Bescheidwissen über Gott,
ohne Enthusiasmus, ohne Bibliothek –
geht so auf die Begegnung mit Gott zu.
Brecht auf ohne Landkarte –
und wisst, dass Gott unterwegs zu finden ist,
und nicht erst am Ziel.
Versucht nicht, ihn nach Originalrezepten zu finden,
sondern lasst euch von ihm finden
in der Armut eines banalen Lebens.
  

Madeleine Delbrèl