Im wahrsten Sinne des Wortes ist die Geschichte der Kapelle „Mariahilf“ im Sibratsgfäller Ortsteil Rindberg bewegt - deshalb kann sie innerhalb von zwei Tagen abgebaut werden. Die Kapelle beherbergt ein sehr beeindruckendes Gnadenbild und ist ein schönes Beispiel der Bregenzerwälder Handwerkskunst.

Othmar Lässer

Serie Marienwallfahrtsstätten in Vorarlberg - Teil 1 von 4: Die Kapelle Mariahilf in Rindberg

Wie kaum ein anderes Sakralgebäude in unserer Diözese ertrotzte sich diese Wallfahrtsstätte ihren Platz. Der Vorgängerbau wurde 1999 durch massive Geländeverschiebungen zerstört. Die Erdrutsche damals zogen die ganze Umgebung in Mitleidenschaft. Zunächst galt es, die bewohnten Häuser zu schützen und die landwirtschaftlichen Flächen zu erhalten - kurzum: dem Leben und Wirtschaften am Rindberg eine Zukunft zu geben. Nach und nach reifte bei den damals Verantwortlichen aber auch der Entschluss zu einem Neubau der Kapelle. Neben dem wichtigen religiös-spirituellen Aspekt wurde erkannt, welch symbolische Bedeutung der Erhalt dieses Wallfahrtskirchleins für die Zukunftsfähigkeit dieses Ortsteils hat.

Mehr als anderswo verschmelzen am Rindberg die jüngere Zeitgeschichte eines Ortes, die Schicksale seiner Bewohner/innen und die Gestaltung eines sakralen Bauwerks zu einer erlebbaren Einheit. Es entsteht dadurch eine religiöse Tiefe, die mit dem Bau der mittelalterlichen Pestkapellen vergleichbar ist. Aber nicht magischer Wunderglauben veranlasste das Engagement, sondern die Überzeugung, dass das Zusammenleben von Mensch und Natur, das zuweilen auch ein Kraftakt sein kann, zu seinem Gedeihen Gottes Schutz und Heilung bedarf. In dieses Vertrauen in die göttliche Fürsorge dürfen sich die heutigen Wallfahrer/innen einreihen.

Nach geologischen Sondierungen und planerischen Überlegungen entwickelte im Jahre 2007 Zimmermeister Albert Bereuter in Element-Holzbauweise eine Konstruktion, die innert zwei Tagen wieder abgebaut werden könnte.  Außen im Schindelkleid, innen hell und licht, zeigt sich dem Besucher ein eindrucksvolles Beispiel Bregenzerwälder Handwerkskunst.

Der erste Blick richtet sich auf die zentral im Hochaltar befindliche meisterhafte Kopie des Mariahilf-Bildes von Lucas Cranach. Das originale Gnadenbild befindet sich im Innsbrucker Dom. Es zählt zu den am weitest verbreiteten Marienbildern im Alpenraum. Ein intimes, anmutiges Geschehen ist dargestellt. Jesus blickt zu seiner Mutter, schmiegt sich an ihre Wange und sucht bei ihr Hilfe (siehe Foto unten Mitte). Maria wendet sich durch ihre Gesten dem Jesusknaben zu. Sie hält ihn fest und will ihn nicht hergeben. Ihr Blick aber wendet sich dem Betrachtenden zu und macht diesen zu einem aktiven Gegenüber. Es entsteht eine spielerische Ernsthaftigkeit, die in den Bann zieht. Kein Zierrat, keine Engel, keine Wolken, keine Trauben, keine Kronen, keine Heiligenscheine oder andere Symbole lenken vom Geschehen zwischen Maria, Jesus und dem Betenden ab. Menschen aus dem Volk begegnen sich. Hier erkennen wir die evangelische Prägung dieses Gemäldes. Lucas Cranach war ein Freund von Martin Luther. Es ist wohl eine besondere Finte der Geschichte, dass gerade dieses „reformierte“ Marienbild zu einem katholischen Erfolgsgaranten und wundertätigen Gnadenbild wurde.

Das im Mariahilf-Bild Fehlende wird im darüber befindlichen Bild des Hochaltars (dem sogenannten Obstück) traditionell theologisch geradegerückt: Christus krönt seine Mutter zur Himmelskönigin. Beispielhaft zeigen die beiden Darstellungen die große Weite marianischer Vorstellungen in der Kirche auf.

Auf den allerersten Kapellenbau aus dem Jahre 1694 weisen die beiden Statuen am Hochaltar „hl. Wendelin“ und „hl. Martin“ hin. Vor dem Einzug des Marienbildes vor knapp 150 Jahren stand die Verehrung dieser beiden Viehpatrone im Vordergrund.

Die vier großen Glasfenster stellen Geheimnisse des freudenreichen Rosenkranzes dar. Ein besonderer Blickfang an der Rückwand ist eine Krücke. Theresia Dorn ließ sie 1881 hier liegen, nachdem sie wunderbare Heilung von ihrem Leiden erfuhr.

Wandertipps:
Zu Fuß erreicht man die Kapelle vom Ortszentrum aus auf einem mäßig ansteigenden Fahrweg in ca. 30 Minuten. Die Wallfahrt kann auch mit einer Wanderung auf der „Georunde Rindberg“ (www.bewegtenatur.at) kombiniert werden. In der Nähe der Kapelle befinden sich ein Parkplatz und der Gasthof Alpenrose.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 18 vom 6. Mai 2021)